1878 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Kirchweih in der Ramsau. 225
Kirchweih in der Ramsau. Von Reichenhall führt eine wohlgebaute
Straße an dem kömglichen Brunnenhaus Jetteuberg und dem stillen Tauben-
see vorüber in ein abgeschlossenes Thal, das zwischen den Riesen der Berchtes-
gadener Alpen, Hochkelter und Watzmauu einerseits, Rentalp und Latten-
gebirge andererseits, in tiefer Einsenknng liegt, auf feinem Grunde die freund-
licheu Dörfer Ramsau, Hintersee, Jllsank u. a. Das erstgenannte Dorf
hat seinen Namen dem ganzen Thale gegeben, dessen Schönheit von Julius
Grosse in folgenden Versen gepriesen wird:
--„An den laubigen Halden
Schimmern die Höfe verstreut, weit hiugelagert au Hügeln,
Quelleuumrauscht und von Wiesen umgrünt und von Ulmen umschattet;
Auf dem geschnitzten Altan bliih'u Maslieb, Lack und Levkojen,
Unter vorspringendem Dache geschützt stehu Körbe der Bienen.
Frei sich tummelt das Füllen im Haiu, und von Kindern gehütet
Weiden die Rinder das Wasser entlang an den Stauden der Hasel.
--Alles so still, wie wenn ein ewiger Sonntag hier waltet;
Denn der Einzelne lebt auf deu weiten Weilern ein König,
Und kein Lärmen des Dorfes entweiht die erhabene Ruhe" ....
Man sagt, die Ramsauer, die sich bis vor Kurzem gegen das Hinein-
Heirathen in ihre „Genotfchaften" nicht minder wehrten als die Jacheuauer,
seien Abkömmlinge von Römern, die sich zur Zeit der Völkerwanderung aus
dem nahen Juvavum (Salzburg) in das einsame Thal geflüchtet, und ihr Aus-
seheu scheint ihre romanische Abkunft zu bestätigen. Was aber Sitte und Ge-
sinnung anlangt, so sind sie jedenfalls längst gute Deutsche geworden. Davon
können wir uns nicht besser überzeugen, als durch einen Besuch der Rams-
auer Kirchweih, bei der es lebhafter und bunter zugeht, als sonstwo in den
bayerischen Bergeu.
Die Blätter des Ahorns und der breitästigeu Buche färben sich gelblich
und röthlich und verkünden die schönste Zeit in den Bergen. Die Sommer-
arbeit ist abgethan, das Vieh hier und dort bereits von den Alpen heimgekehrt,
und das Dorf bereitet sich vor zu dem ersehnten Feste der Kirchweih. Vom
schindelgedeckten Kirchthurme herab flattert das roth und weiße Fähnlein. Die
Gemeinde füllt den engen Raum der Kirche bis auf den letzten Platz und er-
baut sich an der kernigen Predigt. Nicht ohne Ursache stehen nach alter Sitte
Kirche und Wirthshaus so nahe neben einander. Unmittelbar nach der Kirche
wandert die fromme Gemeinde aus jener in dieses. Vor der Kirchthüre und '
an der Kirchhofmauer stehen die „Buben" in ihren dunkelblauen Joppen mit
grünen Kragen, Manchesterwesten mit Metallknöpfen, ledernen Kniehosen,
weißen Strümpfen und Riemenschuhen, auf dem Kopfe den breitrandigen
schwarzen Hut mit echter Goldquaste, deren Schnur durch die Zahl ihrer Wiu-
duugeu einen Maßstab für das Vermögen ihres Besitzers abgiebt, hinter dem
Ohre eine blutrothe Nelke. Sie plaudern, betrachten die schönen Sachen,
welche in den zwischen Kirche und Wirthshaus aufgeschlagenen Marktständen
zur Schau liegen, und wählen vielleicht in Gedanken unter den bunten Seiden-
tüchern, Bändern und Ringen schon die Geschenke aus, mit welchen sie beim
Deutsches Land und Volk. I. 1 n