1878 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Klöden, Gustav Adolph von, Regnet, A., Köppen, Fedor von, Barth, Hermann von
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Bayern
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
268 Im Ammergau und Ampergebiet.
des heiligen Gral so erfüllt, daß er einen ähnlichen geistlichen Ritterorden zu
stiften beschloß. Dreizehn edelbnrtige Ritter mit ihren Frauen, dann noch sechs
Wittwen tapferer adeliger Kämpfer erhielten zu Ettal Wohnung und Unterhalt
in ehrenvoller Muße. Ludwig selbst entwarf ihre Hausordnung. Die Männer
kleideten sich grau und blau und durften goldene Gürtel und Sporen tragen;
die Tracht der Frauen war in einfachem Blau. Tanz, Würfeln und alles Spiel
um Geld war beiden Geschlechtern verboten, Armbrustschießen, Jagd und Beize
dagegen den Rittern gestattet. Täglich hatten sie der Mette und den Tagzeiten
beizuwohnen, jährlich fünfmal zum Tische des Herrn zu gehen und die kirch-
lichen Festtage zu halten. War ein Ritter in Urlaub, so mußte feine Frau bei
der Meisterin bleiben. Bei Tische hatten Ritter und Frauen das klösterliche
Schweigen zu beobachten. Verstöße gegen die Satzungen wurden durch Be-
schränkung der Kost aus Wasser und Brot, Bodensitzen in der Eßstube, öffent-
liche Bnße in der Kirche, Einkerkerung, Entziehung der Pfründe und Ver-
stoßung geahudet. Zur Bedienung waren jedem Ritter und seiner Fran ein
Knecht, eine Magd und ein Heizer, sämmtlichen Wittwen zwei Mägde bei-
gegeben. Der „Meister", d.h. der Vorstand aus der Zahl der Ritter, hatte
für sich vier Pferde, zwei Junker, einen Schreiber, einen Koch, einen Jäger
mit zwölf Hunden und einen Falkner mit zwei Laufknechten. Den übrigen
Rittern wurden zusammen acht Pferde zum eigenen Gebrauche und vier für die
Knechte gehalten. Wittwer durften sich in: Kloster wieder vermählen und darin
geborene Kinder drei Jahre daselbst verbleiben. Andere Kinder aber durften
die Ritter nicht bei sich haben.
Trotz seiner kostspieligen Einrichtung war der Staud des Ritterstiftes, so
lange der Kaiser lebte, ein blühender, aber bald nach seinem Ableben löste es
sich ans. Es hatte nur sechzehn Jahre bestanden. Des Kaisers eigene Söhne
waren es, welche ine meisten Güter des Stiftes wieder einzogen. Das Kloster
behauptete sich nach dem Eingehen des Stiftes anfangs nur mit Mühe, hob
sich indessen allmählich wieder und gewann neue Fundationszuslüsse. Zudem
zog der Ruf des wunderthätigen Marienbildes in Ettal viele Wallfahrer aus
Nah und Fern herbei zum Bortheil des Klosters. So stand es Jahrhunderte
hindurch in Ehren und Wohlstand und erlangte im 18. Jahrhundert neue Be-
rühmtheit durch eiue treffliche Lehr- und Erziehungsanstalt für junge Adelige,
welche der Abt Placidus Ii. (Feiz) gründete. Kurfürst Karl Albert (als deutscher
Kaiser Karl Vii.) erhob dieselbe zur Ritterakademie, und es kamen fast aus
allen deutschen Ganen adelige Jünglinge nach Ettal, um daselbst in den freien
Künsten und Wissenschaften standesmäßig unterrichtet zu werden. In dem Ver-
zeichniß der Schüler lesen wir die Namen der angesehensten Geschlechter, wie
Auersperg, Eolloredo, Fugger, Hamilton, Hatzfeld, Hohenzollern, Kaunitz,
Königsegg, Lobkowitz, Metternich n. a. Im Jahre 1744 fuhr ein zündender
Blitzstrahl ins Kloster. Es brannte mit Ausnahme des Flügels, in dem ehedem
Kaiser Ludwig der Bayer Herberge zu nehmen pflegte, völlig nieder; anch
die reiche Büchersammlung ward ein Raub der Flammen. Zwar erhob sich
das Kloster wieder aus der Asche, aber die Ritterakademie ward nicht wieder
ins Leben gerufen.