1. Bd. 1
- S. 169
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
47. Toscana und die Toscaner.
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Hügelspitzen die schlanken dunklen Eypresfen, die Lorber- und Kirschlorber-
bäume; dazu die Akazien und Mimosen, die Bignonien und Tulpenbäume
der Parks und Alleen.
Einen wunderbar gefälligen und freundlichen Eindruck machen die zahl-
losen Villen und Bauernhäuser, die über das ganze angebaute Land Hin-
zerstreut liegen. Zusammenhangende Dörfer sind meist nur im Gebirge zu
finden. Aber wie in der Bodengestalt und im Pflanzenwuchs, so herrschen
auch hier die stärksten Contraste. Gleicht die Umgegend von Florenz einer
einzigen Riesenstadt, in der jedes Haus mit einem Garten umgeben ist, so
sind dagegen manche Hügelgegenden und Ebenen der Maremmen menschen-
leere Wüsten, von Urwäldern und wildverwachsenem Gestrüpp bedeckt, ver
Ausenthalt des Wolfes und wilden Schweines. Können sich das mittlere
und untere Arnothal und die Umgebung von Lucca mit den am dichtesten
bevölkerten Provinzen Belgiens, der Rheinlande und Englands messen, so
sinkt die Bevölkerung im Hochgebirge und in den unter der Herrschaft der
Malaria stehenden Gegenden auf wenige hundert Köpfe pro Quadratmeile
herab.
Und nicht nur die Zahl, fondern auch die Art der Menschen ist eine
verschiedene. Während die Bewohner des Hügellandes im Innern meist eine
mittlere Größe, einen schlanken Wuchs, feinen Gliederbau, eine ansprechende,
wenn auch selten regelmäßig schöne Gesichtsbildung und einen lebendigen,
oft geistvollen Ausdruck zeigen: erscheinen die Züge der Hochgebirgsbewohner
platter, gemeiner und ausdrucksloser, ihre Gestalten plumper, ungeschickter
und kleiner, oft noch kretinartig entstellt durch niederhängende Kröpfe, und
in den vom Fieber alljährlich heimgesuchten Gegenden in der Nähe des
Meeres sieht man meist wankende Gestalten mit bleichen, aufgedunsenen
Gesichtern, in denen oft jede Spur frischen geistigen Lebens durch die dicke
Sumpfluft und das ewige Siechthum schon in der Jugend zerstört ist. Doch
bilden die beiden letzteren Kategorieen einen verhältnißmäßig unbedeutenden
Bruchtheil der ganzen Bevölkerung, so daß sie bei der Beurtheilung der
physischen und moralischen Eigenthümlichkeit des Volkes kaum in Betracht
kommen dürfen.
Der Toscaner ist im Allgemeinen lebhaft, gutmüthig, gefällig, weniger
reizbar und rachsüchtig als die übrigen Stämme der Halbinsel; von Natur
fein und höflich, mit großem angebornen Tact für das Schickliche, reich an
geselligen Talenten; mit einem aufgeschlossenen Sinne für. das Schöne be-
gabt, der sich selbst in den untersten Schichten des Volkes nicht verläugnet;
weit weniger träge und arbeitsscheu als sein römischer Nachbar oder gar der
Bewohner Unteritaliens, mit einer Leichtigkeit der Auffasfung und einem
Talent für die Aneignung fremden Wissens' und fremder Erfindungen, wie
wenig andere Völker; selbst in der größten Unwissenheit nie plump und gemein
erscheinend. Dagegen fehlt es ihm durchschnittlich an einer tiefern sittlichen