1. Bd. 1
- S. 187
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
52. Die Campagna von Rom.
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Villen zerstörten den Ackerbau völlig: was sie nicht mit Gärten, Teichen,
Wasserwerken und Wildgehegen bedeckten, ward, wie jetzt, von den uner-
meßlich reichen Besitzern zur Viehzucht als Triften benutzt, da diese reicheren
Gewinn abwarf. Dieser Zustand steigerte sich immer mehr, je tiefer das
Reich allmählich sank. Die Einfälle der nordischen Eroberer tilgten auch
die letzten Reste der früheren Bevölkerung vom Boden der Campagna oder
trieben sie auf die Gebirge. Sie verewigten das in der Kaiserzeit ausge-
bildete Unheil. Die großen Gütercomplexe blieben, sie wechselten nur die
Besitzer. Wenige Barone theilten mit der Geistlichkeit das Erbe der römi-
schen Aristokraten der Kaiserzeit. Ganze Stadtgebiete kamen so in die Hand
eines Klosters oder eines Feudalherrn. Die wenigen Versuche zum Wieder-
anban der Campagna, von einzelnen Päpsten unternommen, scheiterten an
dem ewigen Kriegszustande der großen Barone unter sich oder selbst mit
Rom, an den Verheerungen, welche deutsche und normannische Kriegszüge
über Italien brachten.
Die großen geistlichen und weltlichen Grundbesitzer verpachten noch heute
ihre Besitzungen an wenige Generalpächter, die sogenannten Mercanti di
Campagna. Diese bebauen durchschnittlich jetzt etwa den zwölften Theil des
Bodens mit Korn, Mais, Bohnen, Hafer ic. Bestellung und Aernte besor-
gen Arbeiter aus den heimischen Gebirgen und aus dem angrenzenden
Neapel gegen hohen Lohn. Aufseher zu Pferde commandiren diese geworbenen
Scharen, deren Lagerstätte die sieberschwangere Erde ist, wenn nicht die
Nähe Roms einigen das Asyl der Treppen und Vorhallen der Kirchen oder
den Schutz der Ruinen von Gräbern bietet. Dazu die Gluthitze der rö-
mischen Julisonne am Tage und die feuchte Kälte der Nächte, welche große
Riesenfeuer, im Kreise um die Lagernden angezündet, nur schlecht abwehren,
die elende Kost, das schlechte Wasser und der erhitzende, oft verdorbene
Wein. Daher ergreift denn das Fieber gegen Ende der Aerntezeit einen nach
dem andern: dann füllen sich die römischen Spitäler. Manche werden in
wenigen Tagen dahingerafft, die meisten schleppen sich elend und siech in
ihre heimischen Berge zurück. Mehr noch als bei den Schnittern, ist das
Gesagte der Fall bei den Dreschern und übrigen Arbeitern, die spät in den
Sommer hinein, wo die Lust immer verpesteter wird, auf den Aeckern blei-
den müssen.
Also der Ackerbau ist in der römischen Campagna reine Nothsache,
gegen welche sich die großen Gutsbesitzer und ihre Mercanti di Campagna
daher auch mit Händen und Füßen sträuben. Sie bebauen den Boden nur,
weil er ohne allen Anbau zuletzt auch als Weideland unbrauchbar wird.
<^ie bebauen ihn mit Schaden, während ihnen die Benutzung als Weide-
land zur Zucht von Ochsen, Büffeln, Schweinen, Schafen :c. bei verhält-
nißmäßig geringen Auslagen großen Vortheil bringt.