1. Bd. 1
- S. 231
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
64. Pästum.
231
Gartenzierrathen gelassen hat, ist dagegen sonst der gesammte Vorrath der
in den ausgegrabenen Tempeln und Privathäusern vorgefundenen Dinge,
die Wandgemälde, die Mosaikböden, die Stätuen, die Tempelgeräthschasten,
die Schmucksachen, das Haus- und Küchengeräthe durchgehend fortgeschafft
und in das Mufeum auf dem Schlosse zu Portici, später in das Museum
zu Neapel gebracht worden, wo diese Denkmäler, gut geordnet und prachtvoll
aufgestellt, einen unerschöpflichen Schatz von Belehrung über das öffentliche
und häusliche Leben der alten Bevölkerung Unteritaliens bilden.
64. pästum.
(Nach Karl Aug. Mayer, Neapel und die Neapolitaner, bearbeitet vom Herausgeber.)
Pästum, wahrscheinlich von den Tyrrhenern gegründet, gehört zu den
ältesten Städten Italiens. Flüchtige Sybariten siedelten sich hier an und
nannten die Stadt nach ihrem Meergotte Poseidonia. Als die Römer sie
eroberten (274 v. Chr.) und eine Colonie dahinsandten, stellten sie den alten
Namen Pästum wieder her. Wegen des milden Klimas pflegten hier die
Großen den Winter zuzubringen. Im Mittelalter zerstörten die Sarazenen
die Stadt (915), als sie aus derselben vertrieben wurden, und die Trümmer
dienten als Material zu benachbarten Bauten. Die Gegend, wo, wie die
alten Dichter sangen, die Rosen zweimal blühten, verwandelte sich in eine
Wildniß, in welcher Büffelheerden Hausen, die, bald am Wege liegend, bald
in niedrigem Gebüsch oder Sümpfen halb verborgen, den Wanderer an-
starren, als wollten sie ihm sagen: „Was suchst Du hier bei uns? Hier ist
unser Gebiet/' Die Hirten, welche sich allein unter die wilden Thiers wagen,
machen sich in Sommernächten, wo die Malaria am gefährlichsten ist, Feuer,
um die Luft zu reinigen.
Von Fremden wird diese verpestete Gegend nur besucht, um die drei
Tempel im ältesten dorischen Stil zu sehen, welche der Zeit besser getrotzt
haben, als die meisten griechischen Bauwerke, und obgleich nicht besonders
groß, doch durch die edle Einfachheit der Verhältnisse gewaltiger erscheinen,
als die meisten antiken Gebäude Italiens.
Ziemlich fern von den zwei anderen Tempeln liegt der Cerestempel,
der kleinste und wahrscheinlich neueste unter ihnen. Er hat sechs Säulen
am Giebel und 13 auf den Seiten. Von reinerem, Stile ist der Neptuns-
tempel, eines der schönsten antiken Gebäude, die uns erhalten worden
sind, voll einfacher Erhabenheit und Majestät. Diese Riesensäulen, die unten
2 Meter breit sind, tragen nun schon Jahrtausende die ungeheuren Stein-
blöcke der Architrave, und scheinen der Zeit noch eben so lange trotzen zu
wollen. Der Tempel hat am Giebel 6, auf der Seite 14 Säulen und ist