1. Bd. 1
- S. 248
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
248 Iii. Lander- und Völkerkunde. A. Europa.
Ausführung das Schicksal der europäischen Christenheit berührte. Mau ver-
setzt sich zurück in die chevalereske Zeit der Johanniterherrschaft, läßt vor
seinem Geiste die großen Thaten vorüberschweben und glaubt die Schatten
der Ritter durch das Halbdunkel des Zimmers gleiten zu scheu. Sie transit
gloria mundi!
71. Sardinien.
(Nach Heinrich Freiherrn von Maltzan, Reise auf der Insel Sardinien, mit
Zusätzen nach Alfred Meißner, „Durch Sardinien", bearbeitet vom Herausgeber.)
Jyr großen westlichen Becken des Mittelmeeres wurden Sardinien
und Corsica durch ihre Lage, fast gleich weit von Gallien, Spanien, Jta-
lien und Afrika, die Kreuzungspunkte aller umwohnenden Continentalvölker,
welche Handel trieben und Pflanzstätten anlegten; insbesondere drückten das
östliche und das westliche Nachbarland auf dem Continente, sobald einmal
die älteren Einflüsse phönizischer und griechischer Einwanderungen vertilgt
waren, den beiden Inseln ihr Gepräge auf; dabei ward in Sardinien das
spanische Element, in Corsica das italienische überwiegend, wie man dies ganz
einfach aus den Sprachen erkennt.
Sardinien ist in dem übrigen Europa, namentlich auch in Deutschland,
noch wenig bekannt und scheint nicht nach seiner Bedeutung geschätzt zu wer-
den. Dennoch bietet es in allen Naturreiche» viel Interessantes (wie z. B.
die Tropfsteinhöhle von Alghero, von seltener Ausdehnung und Pracht), hat
ergiebige, zum Theil erst vor wenigen Jahren wieder aufgeschlossene Berg-
werke, archäologische Schätze der mannichsaltigsten Art (das Amphitheater
und den 4v- Kilometer langen Aquäduct des alten Caralis, sowie dessen
Nekropolis aus der Zeit der 268 I. dauernden punischen Herrschaft), zahl-
reiche andere Ruinenstädte, geheimnißvolle, thurmartige Denkmäler (die kreis-
förmigen sog. Nurhagen, wahrscheinlich Wohnungen der einheimischen Urbe-
völkerung), und wer vollends ethnographische Studien machen will, findet in
den Physiognomieen der Bevölkerung gleichsam einen historischen Atlas, in
welchem er jedes Volk des Alterthums verzeichnet sieht, welches eins nach
dem andern, mitunter selbst gleichzeitig mit anderen, einzelne Theile dieser
Insel colonisirte.
Sardinien, dessen Gestalt man mit einer ausgespreizten Hand (phönizisch:
Sareth, daher der Name der Insel) verglichen hat, bietet die Eigenthümlich-
keit, daß gerade derjenige Theil desselben, welcher dem Mutterlande Italien
am nächsten und ihm unmittelbar gegenüber liegt, am wenigsten Berührun-
gen mit demselben hat und als die am schwächsten bevölkerte und am wenig-
sten cultivirte Küstenstrecke erscheint, während sonst aus den Inseln die dem
Mutterlande zugewandten Küsten sich in der Cultur am weitesten sortge-