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1. Bd. 1 - S. 311

1874 - Köln : DuMont-Schauberg
93. Der Mensch in den Alpen. 311 seiner Wirtschaft in alle Regionen und Zonen des Gebirges seine Thätig- fett: in die obersten, in denen sein Vieh weidet; in die mittleren, in denen er sein Holz findet; in die unteren, wo mancher kleine Streifen Feldes oder der kleine Weinberg zu bestellen ist, bis in die Thalsohle hinab, wo oft sein vornehmster Acker liegt. Und kann der Bewohner der Flecken und Städte, der Gebildete, der Handelsmann das Gebirge missen? Der Arzt muß seine Hülfe, der Priester den Trost der Religion hinauftragen in entlegene Hütten, hinter Wasserstürzen und Gletschern; und der Verkehrsmann, sei es der Spitzen- und Schnittwaarenhändler aus Vorarlberg, der Handschuh- und Tep- Pichverkäufer aus dem Ziller- und Teferegger-Thale, der Grödener mit Schnittwaaren, der Viehhändler aus Paffeir oder der Wein- und Frucht- Händler aus den gesegneten Etschgauen — sie alle ziehen über die Alpen- Pässe, aus einem Thal in's andere, vorüber an den gehörnten und gletfcher- bepanzerten Bergriesen, die in vielfachem Wechsel von Kleid und Miene sich ihrem Blicke darstellen, bald in der blendenden Hülle des Winters, bald im lachenden, bunten Frühlingskleide, bald von stürmenden Wolken umsaust, bald wieder von Regenstrichen gepeitscht oder von Blitzen umzuckt, gestern von dicken Nebeln umzogen, heute vom Glänze der scheidenden Sonne verklärt. In der That erlebt man bei dem Uebergange über solche Höhen an einem Tage mehr, als in der Ebene oft in einem ganzen Jahre. Mit dieser Natur von Jugend auf verwachsen, durch sie täglich in An- spruch genommen, auf ihren Umgang fast allein hingewiesen, sollte nicht der Bewohner der Alpen vorzugsweise von lebendiger Liebe zur Heimat er- füllt werden? So ist es. Er bleibt damit erfüllt, auch wenn seine Gewandt- heit in der Ferne Behaglichkeit und Glück des Lebens ihm erwirbt. Zurück- gekehrt mit Reichthümern, wird er unmerklich von der Alpennatur dermaßen gefesselt, daß er sich der einfachen, alpinischen Lebensweise und den alten Gewohnheiten der Väter wieder zuwendet, fremde Bedürfnisse und fremde Weise alsbald ablegend. So begegnet man in fast allen Theilen Graubün- dens, selbst in unwirthlichen Gegenden, Leuten, die daselbst sich aufs Neue niedergelassen haben, nachdem sie, in jungen Jahren ausgewandert, in den verschiedensten Weltgegenden ein Vermögen erworben haben. Sie bringen nicht einmal das Gefühl und Verständniß von Dingen, die nur einigermaßen nach Bequemlichkeit des Lebens aussehen, aus der großen Welt zurück. So sehr ist ihr sonst heiterer Sinn von der Härte des Lebens in ihrem strengen Thale gefesselt. Viele gewöhnliche Geschäfte, bei deren Verrichtung der Bewohner des Flachlandes wenig oder gar nichts von Mühe verspürt,-sind für den Aelpler nicht nur höchst anstrengend, sondern bisweilen ebenso gefährlich, als in dem Erfolge unsicher. Jahre hat er auf die Urbarmachung seiner Wiesen und seines Ackers an des Berges Abhange verwendet; ein einziger Gewitterguß vernichtet schonungslos diese Mühe, die Felder sußhoch mit Steingetrümmer
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