1. Bd. 1
- S. 409
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
123. Die lothringische Stufenlandfchaft. Metz. 409
lassen; aber ein Stück von Lothringen, oder gar eine solche Hauptfestung,
wie die freie Reichsstadt Metz, Frankreich zu überliefern, das wäre auch dem
Reichs-Stiefvater, wie man den Luxemburger Karl nannte, nicht eingefallen.
Das durfte erst 200 Jahre später durch die Untreue deutscher Fürsten ge-
schehen, die mit dem Franzosen Heinrich Ii. ein Schutz- und Trutzbündniß
gegen ihren „gemeinschaftlichen Feind", den Kaiser Karl V., schlössen zur
Zeit, als dieser im Osten von den Türken bedrängt war! Zufolge jenes
schmählichen Vertrages, der keinen andern Zweck hatte, als durch fremde
Hülfe des Kaisers Plötzlich aufsteigende Macht wieder niederzuwerfen, ward
Metz von dem französischen Feldherrn, dem Connetable von Montmorency,
besetzt, unter dem Vorgeben, der deutschen Nation die Freiheit zu bringen!
Karl V. führte ein für die damalige Zeit außerordentlich starkes Heer (von
54,000 M., darunter 10,000 Reiter) gegen Metz und hatte erprobte Generale,
wie Alba, Egmond, in seinem Gefolge. Aber Metz war inzwischen durch
eine große Citadelle, Reihen von Batterieen, Bollwerken, Wällen, mit Wasser
gefüllten Gräben stärker befestigt worden, und dazu schlichen ins Lager des
erkrankten Kaisers drei tückische Feinde, gegen die er ohnmächtig war: Frost,
Hunger, Seuchen. Trotz der französischen Besitznahme blieb Metz noch eine
deutsche Reichsstadt, denn Kurfürst Moritz, der Verräther an Kaiser, Reich
und seinem eigenen Vetter, hatte dem Reiche alle seine Rechte vorbehalten
und den französischen König nur zum Reichsvicar oder Statthalter des Kaisers
gemacht! Erst nachdem das deutsche Reich durch den dreißigjährigen Krieg
geschändet und zerschlagen war, vermochte es sich zu entschließen, Metz, Toul
und Verdun „ewig und unwiderruflich" abzutreten, in der thörichten Hoff-
nung, nun endlich „Frieden und Freundschaft mit Frankreich zu befestigen".
Vielmehr betrachtete die französische Regierung diese Festung stets wie ein
großes Ausfallsthor gegen Deutschland; deshalb ward die Stadt aufs stärkste
befestigt und zu den beiden im vorigen Jahrhundert angelegten Forts (Mo-
selfort gegen Nordosten und Velle-Croix gegen Osten) kamen erst vor wem-
gen Jahren vier andere, welche die Stadt zum großen verschanzten Lager
machten, bequem gelegen, um einen Angriffskrieg im Stillen vorzubereiten
und dann plötzlich hervorzubrechen. Waren die französischen Waffen Unglück-
lich, so stand immer nach Metz der sichere Rückzug offen. Im Besitz von
Metz mußten die Franzosen mit ihrer Politik in jene Richtung hineingerathen,
die sie Jahrhunderte lang von der überseeischen Thätigkeit ablenkte, die uns
so viele blutige Raubkriege zuzog. Bis in die jüngste Zeit wurden in Metz
Jahr für Jahr ungeheure Vorräthe an Waffen (für 150,000 M.) und Pro-
viant aufgehäuft. Dennoch erlebte Metz das unerhörte Ereigniß, daß nach
mehreren blutigen Schlachten auf seinen Feldern (14., 16., 18., 31. August,
1. Sept. 1870) eine Armee von fast 200,000 M. in feiner Umwallung ein-
gekeilt wurde, bis sie, durch Hunger und das Mißlingen aller Ausfälle.