1. Bd. 1
- S. 415
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
126. Mainz.
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Position erkannten und nachdrücklich benutzten. Ihr großer Stratege Drusus
legte der Main-Mündung gegenüber die erste Stadt und Festung an, das
vom Main seinen Namen entlehnende Moguntiacum oder Mainz. Von
diesem rheinischen Mittelpunkte aus konnten sie ihre Flügel zur Rechten und
zur Linken, längs des obern und des untern Rheins, vortheilhast decken.
Um aber ihre Stellung bei Mainz noch mehr zu stärken, griffen sie auch auf
das rechte Rheinufer hinüber und sicherten sich dort nicht nur durch Anlage eines
Brückenkopfes oder Castellum, des jetzigen Ca stell, den Uebergang über den
Rhein, sondern versahen auch das ganze Mündungsland des Mains mit
militärischen Posten und Befestigungen so wie auch mit Militärstraßen.
In den wechselvollen Kämpfen der Römer mit den Deutschen und später
in dem Kriege mit den Hunnen unter Attila wurde ihre wichtige Position
Mainz vielfach bestürmt, zerstört und wieder hergestellt. Unter fränkischer
Herrschaft blühte Mainz von Neuem auf'und wurde der Sitz des geistlichen
Oberhauptes von ganz Deutschland, des ersten deutschen Erzbischofs, der
später auch der vornehmste Kurfürst und der Erzkanzler des deutschen Reiches
wurde. Eben so ist Mainz in Folge seiner geographischen Lage zu allen
Zeiten als wichtigste deutsche Reichs- und Bundesfestung betrachtet worden.
Denn Mainz sichert durch seine Lage an dem Vorsprung, welchen der Rhein
durch seinen von dort veränderten Lauf (gegen Westen) bildet, nicht nur
den Uebergang über diesen Strom, sondern gewährt noch den Vortheil, nach
dessen Überschreitung einen großen Theil der Operationslinie auf befreun-
detem Boden feststellen und dieselbe durch eine zweite und dritte Festung,
Saarlouis und Mch, decken zu können.
Neben seiner strategischen Bedeutsamkeit hat Mainz auch eine commer-
cielle, und in der langen Zeit, wo jene in der Geschichte mehr zurücktrat,
erkannte man mehr und mehr die Vortheile seiner Lage für Handel und
Verkehr und für die Verbindung mit dem innern Deutschland, und so erhob
sich das „goldene Mainz" zu einer freien Reichsstadt, deren Bürgerschaft
Handel und Schifffahrt trieb.
In dieser vielthürmigen, imposanten Stadt an dem breitflutenden Strome,
mit ihrem majestätischen Dome und ihren weiten Festungswerken, in welcher
Arnold Walpoden (1254) den „Rheinischen Städtebund" gründete, dem
Basel, Straßburg, Speyer, Worms, Köln sich sofort anschlössen, wo der
Minnesinger Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, von Mainzer Frauen
zu Grabe getragen wurde (1318), und Gutenberg über seiner Erfindung brütete,
reden noch Mauern und Steine von der Lieblingsstadt des großen Drusus,
von den römischen Legionen und den heranstürmenden Barbaren,' noch lebt
die Erinnerung an die kaiserkürenden geistlichen Fürsten, an das Aufsteigen
und Sinken städtischer Freiheit, an die republikanischen Sansculotten Cu-
stine's, an die Weißröcke der Oesterreicher neben den Pickelhauben der
Preußen.