1. Bd. 1
- S. 473
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
149. Mähren..
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andere häufend, einen Friedhof über den andern, bis die Grabsteine sich
dicht neben einander fanden, wie Schilf am Wasser, zum Theil liegend,
halbeingesunken oder sich gegenseitig stützend, aus hundertjährigem Unkraut
hervorragend. Viele von den Grabsteinen sind auf dem obern Rande mit
kleinen Kieseln bedeckt, Zeichen der Verehrung und des Andenkens, hier
niedergelegt, wie die Christen ihre Gräber mit Blumen und mit Kränzen
schmücken. Auf den meisten sind hebräische Inschriften und die symbolischen
Zeichen noch leserlich. Eine Gräberstätte wie diese gibt es nicht zum zweiten
Male in der Welt.
An ehrwürdigem Interesse dem Friedhofe gleich, an Alter ihm vielleicht
überlegen, ist die „Altneuschule", ersterem gegenüber. Der Sage nach ist
diese Synagoge von den ersten Juden, die aus Palästina hierhin kamen,
gebaut worden und ihre Grundmauern sind Steine von dem Tempel Salo-
monis, welchen Titus, „der Bösewicht", zerstörte. Als historisch begründet
gilt, daß die Synagoge schon im 6. Jhrhdt. existirte und in einem Neubau
des 12. Jhrhdts. die Gestalt erhielt, in der wir sie heute noch sehen: frühe
Gothik mit Spitzbogen, Mastern und schmalen Fenstern.
So lange als es ein von allen staatlichen und gesellschaftlichen Be-
Ziehungen ausgeschlossenes jüdisches Leben gab, war Prag einer von den
Mittelpunkten desselben, seine Hochschule und geistige Nährerin, wie denn
noch Kaiser Franz Joseph Ii. in seinem Toleranzpatente der Wiener Juden-
schaft nicht erlaubt, eine eigene Druckerei für ihre hebräischen Gebetbücher
zu errichten, sondern sie desfalls „an die hinlänglich zureichende Druckerei
in Böhmen" verweist. Dankbar ward daher Prag als eine „Mutter in
Israel" verehrt, und viele von den noch jetzt blühenden großen jüdischen
Familien in Oesterreich und Deutschland (in Wien, Berlin, Hamburg) leiten
ihren Ursprung und Namen aus der dortigen Gemeinde ab.
149. Mähren.
(Nach I. G. Kohl, Reisen im Innern von Ruhland und Polen.)
Wie Böhmen das ganze obere Elbgebiet umfaßt, so begreift Mähren
das ganze obere Marchgebiet und beschränkt sich auf dieses fast ausschließlich.
Vier Gebirgszüge umgrenzen es quadratisch wie Böhmen, im- Nordosten die
Sudeten, im Nordwesten das mährische Gebirge, im Südosten die Karpathen
und im Südwesten ein minder erheblicher Höhenrücken, der das Gebiet der
March von dem der anderen Donauländer trennt. Die Sudeten haben nur
da eine bedeutende Höhe (1300 M.), wo sie sich ans Riesengebirge anschlie-
ßen. Mit ihrer Annäherung an die Karpathen verlieren sie mehr und mehr
an Höhe, weßhalb auch hier in der Nähe der Uebergang und die Ausmün-