1. Bd. 1
- S. 516
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
516 Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
knüpfte. Gleichzeitig traten auch die Eisenbahnen int Donauthale als Alliirte
des Schifffahrt-Verkehrs auf und verzweigten sich von hier aus, wie die vier
Schwertstreiche der gekrönten Könige Ungarns, nach allen vier Weltgegenden,
namentlich nach O. zur obern Theiß und nach So. zu den Hauptthälern
und den Nebenflüssen der Mittlern Theiß und nach Sw. zum Plattensee
und in dieser Richtung weiter nach Italien. Dieses Eisenbahnsystem, welches
einstweilen die Karpathen noch nicht überschritten und das „Eiserne Thor"
noch nicht durchbrochen hat, beschränkt sich jetzt (1874) noch auf den unga-
rischen Länderkreis und findet in Osen-Pesth seinen Eoncentrationspnnkt.
Durch solche Ausnutzung der von der Natur dargebotenen geographischen
Verhältnisse ist denn auch die Bevölkerung in fast 100 Jahren auf minde-
stens das Siebenfache (1780: 35,000, 1874: 250,000 Einwohner) gestiegen,
und Osen-Pesth überragt fetzt alle anderen ungarischen Städte, wie Paris
die französischen Provinzialstädte, indem sie unter allen Donaustädten den
zweiten Platz einnimmt.
Uebrigens hat die ganze Situation und Localität von Buda-Pesth viele
Aehnlichkeit mit der von Prag. Beide Städte liegen an einem Stroine, der sie in
zwei sehr von einander verschiedene und doch zusammengehörige Theile spaltet:
Ofen: — Kleinseite mit dem Hradschin, Pesth: — Alt- und Neustadt von Prag.
In Ofen läuft ein schmaler, länglicher Bergrücken zur Donau hervor, der
die ältesten Bauwerke, Häuser, Paläste, Kirchen, Königsfchlösfer, Gonverne-
mentsgebäude und Festungswerke trägt. In der Kleinseite tritt ein ähnlicher,
langer, schmaler, auch fast gleich hoher und schroffer Bergrücken zur Moldau
vor, der ebenfalls, als Akropolis von Prag, die ältesten und wichtigsten
Gebäude der Stadt trägt. Ein anderes nicht bebautes, breites Vorgebirge,
der Laurenzberg, umschließt die Kleinseite, und das zwischen beiden Bergen
liegende Thal ist mit Häusern angefüllt. Ebenso tritt ein anderer nicht be-
bauter, kahler, breiter Berg, der Blocksberg, bei Ofeu.hervor, und das
zwischen ihm und dem ersten Berge liegende Thal ist mit Häusern angefüllt.
Auf der flachen Seite der Donau liegt Pesth, der wichtigste Theil des Gan-
zen, sich weit' in der Ebene hin ausbreitend. Eben so liegt auf der flachen
Seite der Moldan das Hauptstück von Prag, die Alt- und Neustadt. Wie
sich in Prag auf dieser Seite das regste städtische Leben, die größte Einwoh-
nerzahl, der bedeutendste Verkehr und der weitere Ans- und Anbau der Stadt
findet, so dies alles auch bei Buda-Pesth auf der Pesther Seite, während
Ofen zurückbleibt, das von Beamten, Adeligen, Weinbauern und anderen
weniger in das städtische Leben eingreifenden Bürgern bewohnt wird, ganz so wie
auch die Kleinseite weniger mit fortschreitet und ebenso viele leere Paläste zeigt,
wie die andere Seite neue Gebäude hat. Ueberschaut man das ganze Buda-
Pesth vom Blocksberge aus, so hat man einen ganz ähnlichen Anblick, als
wenn man das ganze Prag vom Lanrenzberge aus ansieht. Nur ist bei
Buda-Pesth alles viel größer, alles mehr gedehnt, während bei Prag alles