1. Bd. 1
- S. 572
1874 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
ganze Flachland von dem wallonischen Berglande, den Ardennen, bis zur
Zuidersee. Dieses Gebiet bildet ein geographisches Ganzes, es ist das
große Delta des Rheines, der Maas und Schelde — eine Anschwemmung,
erzeugt durch diese Flüsse, erhalten durch den Zwiespalt des salzigen und
süßen Wassers. Der Haupterzeuger und Bildner dieses Landes ist der
Rhein mit seinem Bündel von Armen. Er ist die große, weit ins Innere
führende Heerstraße, der Hauptlebensnerv der um und an ihm versammelten
Völker. Indem er seine Wasserstränge von Osten nach Westen zieht, theilt
er sein Deltaland auf eine sehr markirte Weise in zwei Hälften, eine nörd-
liche und eine südliche. In jeder dieser Hälften entwickelte sich nach und
nach ein eigenthümliches Staats- und Völkerleben, für jede Hälfte bildete er
eine Vertheidungslinie gegen Angriffe von der andern Seite.
Die Scheidung der Niederlande in Nord und Süd wird noch auf eine
andere Weise ausgeprägt. Längs der Südseite des Rheines schiebt sich näm-
lich ein fruchtbarer Landstrich, wie ein Keil, zwischen den Süden und Nor-
den der Niederlande. Dieser Strich, „Nordbrabant", ist eine Fortsetzung der
großen sandigen Haide, die von der Ostsee durch Brandenburg, Lüneburg,
Westfalen bis an die Schelde geht. In ihm finden sich große Sümpfe und
Moore, wie der „Peel", dann große Sand- und Haidestrecken, wie die
„Campine". Darum ist Nordbrabant auch weit weniger bevölkert, als die
übrigen Provinzen. Rotterdam ist die einzige bedeutende Stadt in diesem
Mittelstriche des Deltas. Aber nördlich und südlich von diesem unfrucht-
baren Landkeile fallen fruchtbare Tiefländer ab und dort liegen zwei herrliche
Kränze der reichsten und größten Städte, nördlich die holländische Gruppe:
Amsterdam, Haarlem, Leyden, Utrecht, Haag; südlich die flandrischen
(belgischen) Städte: Brügge, Gent, Antwerpen, Mecheln, Brüssel, Löwen.
Beide Gruppen sind durch den an Städten und Menschen ärmern Mittel-
strich Nordbrabant getrennt.
Ein drittes Moment zur Begründung der Scheidung in nördliche und
südliche Niederlande ist die Schelde, welche ihre hohe Bedeutung vorzüglich
ihrer geographischen Lage verdankt, sowie der Beschaffenheit ihres Mündungs-
stückes, das sich zu einem Meerbusen erweitert hat; die Flut des Meeres
geht hinauf bis zu dem Winkel, wo sie sich von Süden nach Nordwesten
wendet und wo sich die Waarenmagazine Antwerpens angesiedelt haben.
Der niederdeutsche Volksstamm der Flaminger hat die Schelde zu seinem
Hauptstrome gemacht und die Scheldelandschaften mit der schönsten Boden-
cultur und einer dichten Bevölkerung bedeckt,' an der Schelde und ihren
Nebenflüssen liegen die berühmtesten Centralpunkte der Cultur Belgiens in
der ältern und neuern Zeit.
Auf den zahlreichen Inseln des Nordens, welche von dem Wassergewebe
des Rheines und der Maas gebildet werden, wohnten die freiheitliebenden
Bataver zu Zeiten der Römer. Und wie auch die Bewohner des Nordens