1. Bd. 2
- S. 22
1875 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
22 in. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
oceanisch. Während Paris alle Lebendigkeit der Provinzen hemmt und nur
Hauptstadt von Frankreich ist, während es alles Ausgezeichnete aus dem
ganzen Lande an sich zieht, um es zu behalten, und der Provinziale, der sich
dort niederläßt, seinen Provinzialcharakter verliert und zum Pariser wird,
zieht London an ohne zu fesseln und läßt Jeden bleiben, was er ist, weil
sich in London die Welt, in Paris nur Frankreich wiederfindet. In dem
Gemisch einer so großen, durch Zuströmen und Abfluß fortwährend in Be-
wegung erhaltenen Bevölkerung liegt eine ausgleichende und das Individuelle
freigebende Macht. Uebrigens wird in Großbritannien eine einseitige Cen-
tralisation schon dadurch unmöglich, daß es in Edinburgh und Dublin Städte
besitzt, welche, auch nach der Einverleibung Schottlands und Irlands, die
Geltung von Hauptstädten nicht eingebüßt haben, deren Lagen den Geist zu
ähnlichen Unternehmungen veranlaßten und zur Größe der britischen See-
macht das Ihrige beitrugen.
London liegt 60 englische Meilen von der Mündung der Themse auf
beiden Usern des Flusses und war schon zur Zeit des römischen Kaisers
Septimius Severus (+ 211 n. Chr.) als große, reiche Stadt bekannt. Unter
der Herrschaft der Dänen nahm die Wichtigkeit des Platzes zu, und seit der
Krönung Wilhelm's des Eroberers (1066) kann London als die Hauptstadt
des Königreichs betrachtet werden. Sie wurde von den Herrschern des
Landes mit vielen Freiheiten ausgestattet. Seuchen und Feuersbrünste rich-
teten oft furchtbare Verheerungen an, aber dennoch wuchs die Bevölkerung
und die Größe. Die Jahre 1665 und 1666 waren die verhängnisvollsten
für die Stadt; 1665 raffte die Pest gegen 100,000- Menschen hinweg und
1666 wüthete „das große Feuer" vier Tage und Nächte mit unwiderstehlicher
Wuth und verzehrte nicht weniger als 89 Kirchen und 400 Straßen mit
13,200 Häusern. Der Schaden wurde auf zehn Millionen Pfund Sterling
geschätzt. Schon innerhalb vier Jahre war Alles regelmäßiger, bequemer
und gesunder als früher wieder aufgebaut. -
Abgesehen von den verschiedenen amtlichen Einteilungen (nach Wahl-
bezirken, Postbezirken, Armenbezirken) kann man sagen, daß London aus
fünf verschiedenen Theilen besteht. Diese sind die City, das Westende, Westminster,
das Ostende und die Borough, letztere auf dem rechten Ufer der Themse ge-
legen. Die City oder die Altstadt bildet den ursprünglichen Kern mit der
St. Paulskirche, dem Tower, der Börse, dem Rathhause (Guildhall), dem
Palast des Lord-Mayors (Bürgermeister), dem neuen Zollhause (Custom-House),
der Bank von England, den Häusern der Ostindischen Compagnie, dem Post-
hause. Hier ist recht eigentlich im Herzen des Riesenkörpers der Stapelplatz
des Handels und der Geschäfte aller Art; hier sieht man nichts als Läden,
Lagerhäuser, Gewerbs- und Geschästs-Locale, deren Besitzer zum Theil ihre
Wohnungen außerhalb der Stadt haben und jeden Morgen im Omnibus
oder auf der Eisenbahn vojp Lande hereinkommen und in gleicher Weise