1. Bd. 2
- S. 232
1875 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Völkerkunde. B. Asien.
282. Cultur der Japaner.
(Nach I. G. Sommer, Taschenbuch zur Verbreitung geographischer Kenntnisse,
und Emil von Schlagintweit, Japan, mit Zusätzen vom Herausgeber.)
Die Japaner haben sich durch eigene Kraft zu einer bedeutenden Stufe
der Gesittung emporgeschwungen und sind niemals einem andern Volke unter-
than gewesen, die Entwickelung der Cultur und ihres staatlichen Lebens erlitt
niemals eine Unterbrechung von außen. Die Europäer wurden im 16. Jhrhdrt.
mit offenen Armen aufgenommen, die lernbegierigen Japaner griffen mit
Lust nach den neuen Elementen der Bildung, das Christenthum fand Ein-
gang bei allen Ständen. Sobald aber die staatliche Selbständigkeit dek
Reiches dadurch gefährdet erschien, verbannten die Herrscher die vermeintlich
schädlichen Gäste, rotteten deren Lehre aus und sperrten das Land gegen die
Fremden ab. Während das chinesische Reich durch die tatarische Invasion
in den tiefsten Verfall gerieth, erlangte die Nationalität der Japaner Festig-
feit und Kraft in mehrtaufendjähriger ungestörter Fortbildung, wie sie kaum
ein anderes Volk gehabt hat.
Die ursprüngliche Religion der Japaner bezieht sich wie die Religion
der anderen hochasiatischen Völker auf die Verehrung der Naturkräfte und
ist zugleich, wie die chinesische ein Heroen-Cultus. Alle Andachtsübung
scheint auf Erhebung der Seele an wunderbaren Naturkräften und mensch-
licher Größe hinauszulausen. Diese eigentliche Staatsreligion oder der
Sinto ist mit den Einrichtungen in Familie und Volk bei den Japanern
verbunden und kennt weniger eigentliche Glaubenssätze als zahlreiche sittliche
Vorschriften für das Leben, wie Erhaltung des reinen Feuers, als Sinnbild
der Reinheit und Werkzeug der Reinigung; Sorge für Reinheit der Seele
und des Leibes durch Gehorsam gegen die Gebote der Vernunft und die
Landesgesetze und durch Enthaltung von allem Unreinen: Beobachtung der
festlichen Tage; Wallfahrten und die Verehrung der Kamis (vermittelnde
Gottheiten) sowohl in den Tempeln als zu Hause, wo jede Familie das Bild
eines Kami in einer Hauscapelle oder in einem sonstigen Behältniffe auf-
bewahrt. Unrein wird man durch den Umgang mit unreinen Menschen, durch
Anhörung gottloser oder schändlicher Reden, durch den Genuß der Haus-
thiere, durch die Befleckung mit Blut und die Berührung todter Körper.
Die Unreinheit währt am längsten nach dem Tode eines nahen Verwandten.
Während der Unreinheit ist der Besuch der Tempel und überhaupt jede
Religionshandlung verboten; auch das Haupt muß stets bedeckt sein (bei
den Männern mit einem Strohhut, bei den Frauen mit einem weißen
Schleier), damit die Sonnenstrahlen, wenn sie darauf fallen, nicht ebenfalls
verunreinigt werden; Thüren und Fenster der Wohnung bleiben geschlossen,
außen zeigt eine Tafel den Zustand der Unreinheit an. Dieser Zustand