1. Bd. 2
- S. 433
1875 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
354. Die Gallas.
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Anarchie, den freiwilligen Verfall seiner Religion und Sitte, den Selbst-
mord.
Der Abessinier fühlt, wie wir, nur roher und oft viel natürlicher und
freimüthiger. Eben so wenig fehlt Muth und Frohsinn; man singt und
tanzt die sternenhelle Nacht durch; Rhapsodien loben den Helden, den
Löwentödter wie den Menschenbezwinger. Freud und Leid wird ausgesungen;
das Lied begleitet die Arbeit, es bejubelt die Hochzeit.
354. Die Gallas.
(Nach A. Katte, Reise in Abessinini.)
Die Gallas, das merkwürdigste Volk Abessiniens, sind ein schöner,
kräftiger Menschenschlag, von einnehmender, interessanter Physiognomie, und
weniger schwarz als die übrigen Abessinier. Die schönsten Sklaven, die nach
Aegypten und Arabien aus Abessinien ausgeführt worden, sind Gallas.
Sie werden auch in diefen Ländern, wegen ihrer körperlichen sowohl als
geistigen Vorzüge, besser bezahlt als die übrigen Abessinier. Sie sind stark,
gewandt, thätig, arbeitsam und ausdauernd in einmal angefangenen Unter-
nehmungen. Treue und Mäßigkeit sind ihre hervorstechenden Tugenden; aus
ihr gegebenes Wort soll man sich immer verlassen können. Dagegen sind
sie rachsüchtig, und, wie alle auf einer Niedern Stufe der Civilisation stehen-
den Völker, grausam gegen ihre Feinde. Bei ihren Kriegen und Streifzügen
kommen ihnen ihre vortrefflichen Pferde, welche die steilsten Berge mit Leich-
tigkeit hinaufgehen und mit bewundernswürdiger Sicherheit und Gewandtheit
über breite und tiefe Felsschluchten und Abhänge hinwegsetzen, auf das beste
zu Statten. Infanterie kennt man unter ihnen, wie in den meisten andern
Provinzen, gar nicht, ja, ein Galla würde es für eine Schande halten,
anders als zu Pferde in den Kampf zu ziehen. Ihre Waffen bestehen, wie
die der Abessinier, in einem starkgekrümmten Säbel, der an der rechten Seite
getragen wird, einer hellebardenartigen Lanze und einem Schild aus der
Haut des Hippopotamus. Feuergewehre sind ihnen unbekannt. Bogen und
Pfeil tragen sie nur sehr selten. Ihre Kleidung ist die einfachste von der
Welt. Das Fell eines wilden Thieres über die Schulter gehängt, trotzen sie
der Hitze und Kälte, die sie in hohem Grade ertragen können. Im Gefecht
sind sie kühn und tapfer. Der Angriff geschieht mit Heftigkeit und großem
Geschrei. Zuerst schleudert man die Lanze in die feindlichen Reihen, als?
dann greift man mit dem Säbel in der Hand an. Gelingt der erste Angriff
nicht, so fliehen sie, um aber gleich zu einem zweiten zurückzukehren.
Ein großer Theil der Gallas sind Heiden, meistens Feuer- und Fetisch-
Anbeter. Viele beten auch die Gestirne, Andere Thiers und Bäume an.
Pütz, Vergl. Erd- und Völkerkunde. Ii. 2. Auflage. 28