1. Bd. 2
- S. 488
1875 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
-488 Iii. Länder- und Völkerkunde. D. Amerika.
und fällt erst nach einem Laufe von 800 Meilen, selbst einem Meer
vergleichbar, in den Ocean.
In den amerikanischen Hochgebirgen liegen oft die Quellgegenden großer
Stromgebiete ganz nahe bei einander, so z. B. des Rio del Norte, Missouri
und Columbia. In Südamerika bewirkt häufig eine beinahe unmerkliche
Bodenwölbung, eine sogenannte Mesa, eine Wasserscheide. So flach ist oft
das Land, daß große Aromsysteme durch förmliche Gabeltheilungen mit
einander in Verbindung stehen, und daß der Orinoco in seinem oberen
Lause einen Arm, den Cassiqniare, in den Rio Negro sendet, welcher sich in den
Amazonenstrom ergießt. In Nordamerika werden die Zuflüsse des Mississippi
und des S. Lorenz oft nur durch ganz kurze Strecken Landes, sogenannte
Tragplätze (Portages) von einander getrennt, weßhalb man sie ohne erhebliche
Mühe durch Canäle mit einander in Verbindung bringen konnte. Verschie-
dene Ströme verschwimmen buchstäblich in einander. Besonders im Gelände
des Amazonenstroms und des Orinoco erblicken wir ein labyrinthisches
Geflecht von Stromrinnen, die auf Hunderten von Meilen keine fortlaufende
Bodenerhebung von nur 30 Metern darbieten, und wo auf 100 Meilen
Stromlauf kaum 30 Meter Fall vorhanden ist. Die Llanos am Orinoco,'
die Bosques am Amazonenstrom und die Pampas am La Plata erheben
sich allesammt schwerlich mehr als 100 Meter über den Spiegel des Atlanti-
schen Oceans. Diese drei großen Niederungen und Stromgebiete mögen
allerdings einst Becken großer Seen gebildet und als ein großes Binnen-
Wasser die Anden von den östlichen Gebirgen Südamerika's getrennt haben.
Weit häufiger als im Süden verwischen sich in Nordamerika die Unter-
schiede von Fluß und See. Das große canadische Seenland jenseit des 40.
Breitengrades (vergl. Nr. 377) bildet in der Gestaltung der westlichen Erd-
Hälfte einen ganz charakteristischen Zug, für welchen sich nur in Schweden
und Finnland ein Analogon findet. Etwa unter der Breite der Mississippi-
quellen und da, wo die Wasserscheide zwischen dem S. Lorenzstrom, dem
Abfluß des großen canadischen Süßwassermeeres, und den in die Hudsonsbay
fallenden Gewässern liegt, erhebt sich eine felsige Hochfläche, die sogenannte
arktische Felsen- oder Seen-Platte. Auf ihr liegt ein Gewirr von unzählbaren
Flüssen und von Seen, die lediglich als lagunenartige Stromerweiterungen
erscheinen und bei hohem Wasserstande verschiedene Stromsyfleme mit ein-
ander verbinden, z. B. durch den Athapesco-See jene des Columbia und
des Mackenzie, welches letztere dem Eismeere angehört. Für den großen
Handelsverkehr sind diese Gewässer von keiner Erheblichkeit, sie erleichtern
aber den Pelzhändlern das Vordringen ins innere Land sehr wesentlich.
Weil die Cordilleren und Anden nicht den Charakter der Massengebirge
tragen, sondern als Kettengebirge streichen und nur selten breite Kämme
zeigen, so wird durch sie die Bildung von Alpenseen nicht begünstigt. Die
Flüsse finden keine großen Becken, in welchen sie sich ansammeln könnten,