1. Bd. 2
- S. 617
1875 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
426. Sydney, die Hauptstadt von Neu-Süd-Wales. 617
Der Anblick der Stadt von den Ankerplätzen aus ist prachtvoll: um die
eingeschnittenen Felsenufer erhebt sich hinter den zahlreichen Masten die
Masse der steinernen Häuser, aus denen der im mittelalterlichen Geschmack
erbaute burgartige Palast des Gouverneurs, eine große Anzahl Kirchen in
allen Stilarten und die hohen rauchenden Schlote industrieller Etablissements
hervorragen. Die Stadt hat breite, zum Theil rechtwinkelige Straßen; doch
sind bei Regen die tiefer gelegenen, welche nahe am Meere den ältesten
und engsten Theil des jungen Sydney bilden, sehr kothig, obwohl in keinem
Vergleiche mit Melbourne. Der größte Vortheil vor dieser Schwesterstadt
aber ist die Bequemlichkeit der Verladung derwaaren; denn bei der bedeu-
tenden Tiefe des Wassers legen die Schiffe unmittelbar an den großen
Waarenmagazinen am Strand an.
Sydney ist der bedeutendste Mittelpunkt der colonialen Schisffahrt,
welcher auch auf seinen Werften einen ansehnlichen Schiffbau betreibt, na-
mentlich die meisten Dampfboote für die Küstenstädte liefert. Als Emporium
für Neu-Süd-Wales vermittelt es die Ausfuhr von Producten der Viehzucht
(Wolle, Talg, Häute) und des Bergbaues (Gold, Kohlen); die ausgeführten
Fabrikate sind meist vorher importirte europäische Handelsartikel und nicht
Erzeugnisse des Landes. Denn die Märkte in den australischen Handels-
städten sind zuweilen von europäischen Waaren entblößt, zu andern Zeiten
aber davon überschwemmt, und dann ist eine oft nicht unbedeutende Wieder-
ausfuhr die Folge davon. Auch ist Sydney für die Inselgruppen des Stillen
Oceans der Haupthafen, der alle Erzeugnisse derselben, besonders das in
neuerer Zeit in großer Menge gewonnene Eocnsöl, zur Aussuhr nach Europa
sammelt; besonders lebhast ist der Verkehr mit Viti, dessen europäische
Kolonisten überwiegend aus Australien stammen, und mit Neu-Caledonien,
welches, obschon eine französische Niederlassung, ganz aus den Verkehr mit
Sydney angewiesen ist.
Nördlich von Sydney liegt das australische New-Eastle, bis jetzt der
einzige Punkt in dem ganzen.ungeheuren Gebiete des pacififchen Oceans,
der den englischen und amerikanischen Kohlen eine, freilich vor der Hand
nur bescheidene, Concurrenz macht. Hier können, wie bei New-Eastle in
England, die Schiffe unmittelbar bei den Kohlenminen selbst, an der Mün-
dung des Hunterflufses, die durch großartige Bauten zu einem leicht zugäng-
lichen, sichern Hafen umgeschaffen worden, die Kohlen laden. Das Kohlen-
bedürsniß auf der südlichen Hemisphäre, obgleich fast ausschließlich für Schiff-
fahrtszwecke, ist schon jetzt ein kolossales. Wie erst, wenn in den Ländern
jener Erdhälfte sich eine Industrie entwickelt, die Brennstoff verlangt! Obwohl
die australischen Kohlen den englischen an Güte nachstehen, so gehen sie
doch jetzt schon nach China, Indien, Kalifornien und Südamerika.