1. Bd. 1
- S. 76
1889 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Auflagennummer (WdK): 14
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Christiania ist, wie alle Städte in Norwegen, eine Stadt von Holz.
Wenn so ein aus Balken zusammengefügtes, mit Planken und Brettern
von außen und innen bekleidetes Haus fertig ist, außen mit Ölfarbe
angestrichen, innen die Zimmerwände tapeziert, alles neu und wohl
aufgeputzt, mit hohen Fenstern und hellen Scheiben versehen, so giebt
das ein ganz stattliches Gebäude, in dem sich warm und gut wohnen
läßt. Wenn aber einmal Feuer ausbricht, ist es um alle Herrlichkeit
geschehen, und daß ein schweres Unglück daraus für das ganze Land
erwachsen kann, beweist Drontheims Beispiel, wo zwei große Brände
im Zeitraum weniger Jahre zwei Dritteile der Stadt in Schutthaufen
verwandelten, wofür alle büßen mußten, weil der Schadenersatz aus
gemeiner Landesfeuerkasse kommt. Holz ist aber billiger als Steinbau,
darum hat es bis jetzt den Vorzug behalten, und erst ganz neuerlich
ist für Christiania das Gesetz erlassen, innerhalb der Stadt nur Stein
anzuwenden. — Ein ziemlich unscheinbares Gebäude mitten in der
Stadt ist das Storthing Haus. Hier erscheint alle drei Jahre in 70
bis 100 Abgeordneten der Storthing oder die gesetzgebende Versamm-
lnng, welche zu zwei Dritteilen aus Landleuten gewählt wird. Alle
die stolzen Städte, wie Christiania, Bergen, Drontheim, Christiansand,
Drammen, Frederikshald, Stavanger, welche die Bildung des Landes
in sich vereinigen, machen nur ein Drittel des Storthings aus. Der
König hat zu bestätigen, was der Storthing beschließt; aber es bedarf
auch der königlichen Bestätigung nicht, wenn der Beschluß des Stor-
thing dreimal gefaßt wird. Auf diese Weise hat Norwegen die sreieste
Verfassung von der Welt und bildet eigentlich einen freien Bauernstaat.
Anfangs ließ sich der Bauer vielfach durch Beamte, namentlich durch
Geistliche auf dem Storthing vertreten; jetzt hat diese Vormundschaft
meistenteils aufgehört, da des Volkes dunkele Masse mehr und mehr
von den wohlthätigen Strahlen einer fortschreitenden Bildung erleuchtet
und durchdrungen wird. Der eigentliche Brennpunkt dieser Bildung
und Aufklärung ist die L an d es uni v er s i t ä t zu Christiania. Kein Volk
hat wohl je mit solcher Teilnahme und solchem edeln, gemeinsamen
Eifer für die Errichtung einer Hochschule gewirkt, als die Norweger.
Das Land seufzte unter dem Druck des Krieges, aller Handel stockte,
Hungersnot bedrängte die Einwohner; trotz dessen wurden zu diesem
schönen Zwecke durch freiwillige Unterschriften nicht weniger als
769 611 Reichsthaler außer 3960 Species (zu 4l/2 Mark deutsch) zu-
sammengebracht, an jährlich fortzusetzenden Beiträgen aber 13352 Thaler
und nahe an tausend Tonnen Getreide. So wurde die Hochschule im
Jahre 1811 begründet. Die Professoren sind gut besoldet und halten
ihre Vorlesungen ohne noch ein besonderes Honorar von seiten der
Studenten zu empfangen. Die Zahl der Studenten beträgt etwa 600.
Auch hier, wie in Schweden, bringt der Sommer wegen der weiten
Reisen, welche die Studenten zu machen haben, eine lange Ferienzeit
von 4 bis 5 Monaten mit sich. Die Bibliothek der Universität zählt