1876 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Zahlreiche Zugvögel bringen die gute Jahreszeit auf der Insel
zu, andere kommen von Norden und halten hier ihre Rast. Ge-
legentlich verirren sich wohl auch hierher die Schneeeule, der Löffel-
reiher und der schwarze Storch, auch mancherlei Raubvögel. Die
Waldschnepfe fällt in massenhaften Zügen im Staubnitzerwalde ein.
Die Seevögel der rügenschen Küste bestehen aus allen möglichen
Gänse-, Möwen- und Taucherarten. Aus den felsigen Gestaden
Jasmuuds, Mönchguts und Wittows sind der Hase und das Reb-
huhn seltene Erscheinungen, während sie aus dem eigentlichen Rügen
häufiger vorkommen. Merkwürdig ist, daß das Reh auf Rügen
nicht gedeihen will. Dagegen gedeihen Edelhirsch und Damhirsch
sehr wohl auf der Insel. In großer Zahl bergt Rügen Füchse,
selten begegnet man dem Dachs. Das Wildschwein kommt gar
nicht vor, während Marder, Iltis, Wiesel sich häufig finden, hin
und wieder zeigt sich auch eine Fischotter.
In der Verwaltung bildet Rügen mit den umliegenden kleinen
Inseln einen Kreis für sich, dessen Hauptstadt Bergen mit
3600 Ew. ist. Die zweite Stadt ist Garz mit 2000 Ew. Ferner
sind zu erwähnen die Flecken Sagard auf Jasmund, Wiek und
das Dorf Altenkirchen, der Amtssitz des Dichters Kose garten
(1792—1808) aufwittow, Gingst und Putbus auf dem eigent-
lichen Rügen. Putbus, Lohme, Krampas und Saßnitz sind
Badeörter. Ersteres zeichnet sich wegen der anmuthigen Aulagen und
schattenreichen Spaziergänge, des reichen Wildparks, des neuen,
schönen Schlosses und der reizenden kleinen Waldinsel Vilm aus.
Gehen wir noch insbesondere zu den Bewohnern der Insel
über, so finden wir ein Volk, grundgut, mildtreu und bieder, aber
auch trotzig, wild und zum Jähzorn hinneigend, wie zumeist die
Seeleute. Dazu kommt eine gewisse, ich möchte sagen, gutmüthige
List und Verschlagenheit, welche, ohne ein Vorwurf zu sein, den
Seevölkern eigen ist und den verwegenen Schiffer wohl kleidet.
Es ist ein Volk, stark und gewaltig, von hünenhaften Gliedmaßen
und wehrhaft. Die Küsten sind vorzugsweise bevölkert; hier herrscht
Handel und Wandel, hier treibt der Schiffer und Fischer sein Wesen.
Im Winter, wenn die Schiffsahrt ruht, überlassen sich die Seeleute
ihren derben Lustbarkeiten, tanzen und trinken nach Herzenslust.
In dieser Zeit wandern denn auch die Insulaner über das Eis
von einer Halbinsel nach der andern hinüber, um mit ihres Glei-
chen ihre handfesten Gedanken auszutauschen.
Handwerker sind auf der Insel nur spärlich vorhanden, da die
Bewohner fast ausschließlich Ackerarbeiter, Seeleute und Fischer
sind. Die meisten Leiue verfertigen ihre Fußbekleidung, Holz-
pantoffeln, selbst, auch spinnen und weben sie, machen Bürsten und
dergleichen, sind gute Schlächter und tüchtige Kreideschlämmer. Der
ächte Bürger- und Bauernstand, wie auch aller Fabrikbetrieb fehlen