1876 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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entstandenen Brauereien erzeugten besseren Biere mehr und mehr
beschränkt
Wie alle Bergbewohner, ist der Voigtländer ein großer Freund
des Gesanges, und an schönen Sommerabenden hört man gar oft
die einfachen Weisen bekannter Volkslieder, von frischen Mädchen-
stimmen oder aus der kräftigen Kehle junger Burschen gesungen,
durch das Dorf ertönen, ja selbst aus den Fabriksälen in den
Städten, wo Dutzende von Arbeiterinnen mit der Vorrichtung der
»weißen Waare« beschäftigt sind, schallt nicht selten ein munterer
Gesang heraus, der ihnen die einförmige Arbeit verkürzt. Jetzt
giebt es in allen Städten und in vielen Dörfern des Voigtlandes
Gesangvereine, die durch Einführung guter Lieder viel zur Vered-
lung des Volksgesanges und der Bildung überhaupt beigetragen
haben.
Werfen wir nun noch einen Blick auf die Beschäftigungen der
Voigtländer, so begegnet uns überall ein frisches, emsiges Leben
und Treiben; denn so ein fleißiges Völkchen sind die Voigtländer in
Stadt und Land. In den Städten und Städtchen ist eine Fülle
und Regsamkeit des Gewerbfleißes zusammengedrängt, dessen Er-
zeugnisse sich über die ganze bewohnte Erde verbreiten. Auf Mark-
neukirchner und Klingenthaler Geigen und Klarinetten
spielt der Nigger dem Iankee zum Tanze auf, die wollenen Kleider-
stoffe und gedruckten Tischdecken Reichenbach's sind aus den fern-
sten Märkten gesucht und beliebt, und die vornehme Dame, welche
auf den Bällen in Petersburg oder Stockholm mit dem wundervoll
gestickten Taschentuche sich Lust zufächelt, ahnt nicht, daß die fleißige
Hand einer Bäuerin in dem fernen Voigtlande, das sie nicht ein-
mal dem Namen nach kennt, das feine Linnengewebe mit diesen
geschmackvollen Blumen und Arabesken verziert hat, denn ihr ist es
natürlich als ächtes pariser Fabrikat verkaust worden. — Ueber
das ganze Voigtland erstreckt sich die Fabrikation der weißen Waaren;
in Plauen, Oelsnitz, Auerbach, Falkenstein, Pausa, und
in vielen Dörfern schießt fast in jedem Hause das Weberschiffchen
hinüber und herüber, um die Unzahl Stücke Mousselin, Mull,
Jakonnet und wie die Waaren sonst alle heißen, besonders auch
die in den herrlichsten Mustern prangenden Gardinen stoffe zu
fertigen, die von hier aus über die ganze Welt verbreitet werden.
Auf den Dörfern aber ist fast kein Haus und keine Hütte, in denen
nicht geschickte und fleißige Frauenhände am Stickrahmen arbeiten,
um die Tauseude von Streifen, Kragen, Taschentüchern, Röcken,
Kleidern u. s. w. zu nähen, die alljährlich vom Voigtlande aus der
putzbedürftigen Damenwelt in allen Zonen der Erde zugesendet werden.
Häufig theilt die ländliche weibliche Bevölkerung ihre Zeit zwi-
schen der gewerblichen und landwirtschaftlichen Beschäftigung; im
Winter wird genäht, im Sommer auf Wiese und Feld gearbeitet.