Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Theil 1 - S. 403

1876 - Langensalza : Greßler
403 von denen er von Zeit zu Zeit einige Zweige abrupft, um sie zu kauen. Das Steppengras ist ja sein Erhalter und Ernährer, da es seine Heerde weidet, und bunte Steppenblumen flechtet seine Tochter sich täglich ins dunkle Haar. Er hat ja nur die Steppe, die ihm alle Bedürfnisse befriedigen muß, von der ihm Alles lieb und Werth ist. Der Birnbaum und der Mongolenhügel sind seine Wegweiser, an beide knüpfen sich seine Erinnerungen und Sagen, der Schlehdorn giebt ihm Blüthen und Früchte, giebt ihm den Stachel zum Ochsenstecken und die Zinken zu jener Egge, mit welcher er die Heuschrecken zerfleischt und zerstückelt, den Schlehdorn besingt er im Liede, das Steppengras feiert er im schwermüthigen Gesänge; der Steppe verdankt er den Reichthum seiner Sprache, seine Be- schäftigung, seine Poesie, seine Erhaltung. An ihr Leben, an ihre Veränderungen knüpft er sein Leben, sein Denken und Dichten; mit Steppengras seiert er sein Pfingsten, seine Heiligthümer. Mit dem Frühlinge erwacht auf der Steppe aber auch ein reiches Thierleben, welches sich hier in Freiheit entwickelt und tum- melt, denn wenn auch des Morgens und Abends graue Nebel aus den feuchten Schluchten aufsteigen, so bleibt die Steppe selbst voll ungetrübten Sonnenscheins, weben und spielen schimmernde Licht- wellen um die Krautblätter, fließen in zitterndem Wogenschlage über die grünen Grasebenen und reichen als duftiger Streifen weit hinaus über den Rand ferner Bodenhebungen. Jetzt huschen zier- liche Erdhäschen durch das Krautgestrüpp, spielen und tändeln mit einander im Sonnenschein, jagen sich durch ihre Löcher in den Hängen der Thäler, die sie meilenweit unterhöhlt haben, lassen hier und dort ihr melancholisches Zirpen vernehmen, richten sich neu- gierig empor, wenn sie einen Menschen erblicken, fliehen, richten sich langsam von Neuem auf und schlüpfen behend in ihr Erdloch, wenn sie Gefahr sehen. Klagend wiegt sich der Kibitz in Schwärmen über den Weiden, jagen silberweiße Falken; weiden aus kahlen Strichen Trappenhorden, die der listige Kosak nicht selten beschleicht, kreisen Adler in den Lüften, fliegen Geier nach gefallenen Steppen- thieren, schreit der Wiedehopf, speist das Birkhuhn Wurzeln und Larven, ziehen Schwärme von wilden Tauben rauschend hin und wieder, denen Habicht und blutrothe Falken folgen, schleicht der Wolf den Heerden nach, wandert die numidische Jungfrau be- dächtig durch das Gras, als ob sie die beiden Federlocken hinter dem Ohre zu verletzen und ihren Schwanenhals anzustrengen fürchte. Während die graugelbe Lerche in den Lüften schwebend singt, die Biene summend die Blumenfelder durchirrt, das Heimchen an fan- diger Stelle zirpt und der Kibitz wehklagt, tönt Tag und Nacht der schaurige Unkenruf aus allen feuchten Thälern, wimmelt es auf lockernden Flächen von Kröten, in feuchten Niederungen von bunt- schillernden Eidechsen, in den Flußthälern von Schlangen. In den 26*
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer