1876 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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von denen er von Zeit zu Zeit einige Zweige abrupft, um sie zu
kauen. Das Steppengras ist ja sein Erhalter und Ernährer, da
es seine Heerde weidet, und bunte Steppenblumen flechtet seine
Tochter sich täglich ins dunkle Haar. Er hat ja nur die Steppe,
die ihm alle Bedürfnisse befriedigen muß, von der ihm Alles lieb
und Werth ist. Der Birnbaum und der Mongolenhügel sind seine
Wegweiser, an beide knüpfen sich seine Erinnerungen und Sagen,
der Schlehdorn giebt ihm Blüthen und Früchte, giebt ihm den
Stachel zum Ochsenstecken und die Zinken zu jener Egge, mit welcher
er die Heuschrecken zerfleischt und zerstückelt, den Schlehdorn besingt
er im Liede, das Steppengras feiert er im schwermüthigen Gesänge;
der Steppe verdankt er den Reichthum seiner Sprache, seine Be-
schäftigung, seine Poesie, seine Erhaltung. An ihr Leben, an ihre
Veränderungen knüpft er sein Leben, sein Denken und Dichten;
mit Steppengras seiert er sein Pfingsten, seine Heiligthümer.
Mit dem Frühlinge erwacht auf der Steppe aber auch ein
reiches Thierleben, welches sich hier in Freiheit entwickelt und tum-
melt, denn wenn auch des Morgens und Abends graue Nebel aus
den feuchten Schluchten aufsteigen, so bleibt die Steppe selbst voll
ungetrübten Sonnenscheins, weben und spielen schimmernde Licht-
wellen um die Krautblätter, fließen in zitterndem Wogenschlage
über die grünen Grasebenen und reichen als duftiger Streifen weit
hinaus über den Rand ferner Bodenhebungen. Jetzt huschen zier-
liche Erdhäschen durch das Krautgestrüpp, spielen und tändeln mit
einander im Sonnenschein, jagen sich durch ihre Löcher in den
Hängen der Thäler, die sie meilenweit unterhöhlt haben, lassen hier
und dort ihr melancholisches Zirpen vernehmen, richten sich neu-
gierig empor, wenn sie einen Menschen erblicken, fliehen, richten sich
langsam von Neuem auf und schlüpfen behend in ihr Erdloch, wenn
sie Gefahr sehen. Klagend wiegt sich der Kibitz in Schwärmen
über den Weiden, jagen silberweiße Falken; weiden aus kahlen
Strichen Trappenhorden, die der listige Kosak nicht selten beschleicht,
kreisen Adler in den Lüften, fliegen Geier nach gefallenen Steppen-
thieren, schreit der Wiedehopf, speist das Birkhuhn Wurzeln und
Larven, ziehen Schwärme von wilden Tauben rauschend hin und
wieder, denen Habicht und blutrothe Falken folgen, schleicht der
Wolf den Heerden nach, wandert die numidische Jungfrau be-
dächtig durch das Gras, als ob sie die beiden Federlocken hinter
dem Ohre zu verletzen und ihren Schwanenhals anzustrengen fürchte.
Während die graugelbe Lerche in den Lüften schwebend singt, die
Biene summend die Blumenfelder durchirrt, das Heimchen an fan-
diger Stelle zirpt und der Kibitz wehklagt, tönt Tag und Nacht
der schaurige Unkenruf aus allen feuchten Thälern, wimmelt es auf
lockernden Flächen von Kröten, in feuchten Niederungen von bunt-
schillernden Eidechsen, in den Flußthälern von Schlangen. In den
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