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1. Bd. 2 - S. 223

1903 - Langensalza : Greßler
223 Herr des Landes ist der Kaiser von Marokko, der gewöhnlich Sultan genannt wird. Seine Befehle sind Gesetze und werden äugen- blicklich vollzogen. Schläge, Gefängnisstrafen und^Hinrichtuugeu kommen täglich vor, und nur durch Geld kann man die Strafen abkaufen. Die Martern sind manchmal entsetzlich, und der Verurteilte hält sich für glücklich, wenn er nur zum Abschneiden des Kopfes, das mit großer Langsamkeit verrichtet wird, verurteilt ist. Sonst werden wohl oft den Unglücklichen Messer durch die Arme, durch die Schulterblätter u. s. w. gestochen und sie so stundenlang an einem ihnen durch die Nase ge- zogenen Strick in der Stadt umhergeführt, ehe man sie umbringt. Wie gesetzlich es hier zugehen muß, beweist schon die Einrichtung, daß kein Beamter Gehalt bekommt, sondern stillschweigend darauf augewiesen ist, Geld von seinen Untergebenen zu erpressen. Das tun auch alle soviel als möglich. Aber es hilft ihnen nicht lange; denn sobald der Kaiser merkt, daß einer reich geworden ist, so macht er ihn irgend eines Ver- gehens schuldig und nimmt ihm Geld und Leben oder wenigstens das erstere, so daß jeder nur für den gegenwärtigen Augenblick lebt. — Dann und wann treiben die Marokkaner noch Seeräuberei. Über die Stadt Marokko und über einen Besuch bei dem Kaiser von Marokko teilt uns ein Reisender nachstehendes mit: Marokko, die Stadt der Rätsel, von so wenigen Europäern be- treten, daß sie für uns beinahe eine Stadt der Fabeln geworden ist, lag vor mir! Ich sollte einer der wenigen Europäer sein, die Kaiser- stadt des Südens in Augenschein zu nehmen und ihre Straßen zu durchwandern. Ein großartiger, überraschender Anblick bot sich unsern Augen. Inmitten eines Waldes von Dattel- und Fächerpalmen lag eine Häusermasse von bedeutender Ausdehnung, wie man sie nur bei einer Weltstadt zu erblicken gewohnt ist. Das ganze weitgedehnte Häusermeer war von einer mittelalterlichen Festnngsmauer umgeben, von der zahllose Türme und Türmchen emporragten, die dem Ganzen ein höchst stattliches großartiges Aussehen verliehen. Zur Seite glänzten die Kuppeln des Kaiserpalastes, die hundert Minarets der Moscheeen. Die drei goldenen Kugeln auf dem Kuppeldache der dem Palast zu- nächst gelegenen Moschee strahlten leuchtend und hell, vom Sonnen- strahle geküßt. Das mächtige Riesenminaret, die Hauptzierde Marokkos, beherrschte weit das unterworfene Häusermeer. Die Tore hoben sich stolz und kühn in die Höhe. Aber im Näherkommen gewahrte das forschende Auge bald inmitten dieses Häusermeeres zahlreiche Lücken und noch mehr Ruinen, welche, von weitem kaum erkennbar, zwar dem Entfernten den Eindruck einer Großstadt ungestört ließen, jedoch mit jedem Schritte des Näherkommens eine Täuschung nach der andern zerstörten, so daß zuletzt von dem an- fangs so glänzenden Gemälde, welches die durch die einförmigen Bilder der nächtlichen Reise ausgehungerte Phantasie gierig eingeschlürft hatte, nur noch sparsame Reste und traurige Ruinen übrig blieben. Die sehr
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