1. Bd. 2
- S. 426
1903 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Auflagennummer (WdK): 17
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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an manchen Stellen senkrecht ab, während sie an anderen über den
an ihrem Fuße tobenden Strom noch hinweghangen. Hier scheinen
die Felsen in die Tiefe hinabstürzen zu wollen, dort sind sie wild
aufeinander getürmt, so daß starke Nerven und ein sicherer Fuß er-
forderlich sind, um ungestraft über sie wegzuschreiten. Solche groß-
artigen Landschaften haben für den Reisenden unendlichen Reiz und der
Freund der Natur könnte sie Wohl stundenlang bewundern; ein Arriero
jedoch wirft ihnen nur einen flüchtigen Blick zu und wendet sich ab,
um seiner Pflicht gemäß seinen Weg ohne Aufenthalt fortzusetzen.
Aber im Schatten jenes Felsens an der Seite des schmalen Pfades
erhebt sich etwas, bei dessen Anblick er sein Maultier unwillkürlich zu
einem schnelleren Schritte antreibt. Es ist ein plumpes Kreuz, das
auf einem Steinhaufen steht und die Stelle bezeichnet, wo vor nicht
langer Zeit der Leichnam eines ermordeten Arriero gefunden worden
ist. Derartige an einsamen Wanderern verübte Mordtaten kommen
in den Gebirgspässen, namentlich in den abgelegenen Teilen des Landes
so häufig vor, daß manche Wege mit Kreuzen fast eingefaßt sind und
man auf einer Reise im Gebirge Hunderte von solchen trauriger Denk-
zeichen zählen kann. Kein Wunder, wenn jedes derselben den Arriero
mit Entsetzen erfüllt und er, um den widerwärtigen Anblick schnell wieder
los zu werden, sein treues Tier zur größten Eile antreibt.
Jetzt endlich liegt das herrliche Tal von Mexiko vor ihm,
dessen Anblick schon das Herz manches müden Wanderers entzückt und
erquickt hat. Die Ebene zu seinen Füßen ist mehrere Meilen weit mit
üppigen Maisfeldern bedeckt, zwischen denen sich grüne Aloe-Reihen
hinziehen. Große Seeen, im strahlenden Sonnenlicht funkelnd, blumige
Felder und schön bewaldete Anhöhen verleihen der fruchtbaren Ebene
den Reiz der größten Mannigfaltigkeit. Dann folgen weite Strecken
mit Pfefferpflanzen, die hier und da von freundlichen Dörfern unter-
Krochen werden. Auf den Feldern sind indianische Arbeiter in großer
Zahl beschäftigt, und auf den Landstraßen bewegen sich lange Reihen
von Maultieren. Die prächtige Hauptstadt selbst mit ihren großartigen
Kirchen und Türmen, ihren geräumigen Plätzen, ihren schön angelegten
Straßen, ihren mit flachen Dächern und Ballonen versehenen Palästen
und ihren anmutigen Gärten ist in der hellen Atmosphäre deutlich
sichtbar. Die herrliche Aussicht wird, wo der Blick sich in die ver-
schwindende Ferne verliert, durch Gebirge begrenzt, die in den selt-
samsten Gestalten emporsteigen und ihre schneebedeckten Gipfel bis in
die Wolken erheben. Was aber dem entzückenden Bilde seinen größten
Reiz verleiht, das ist die belebende Frische der Luft und die Reinheit
des sonnigen, azurblauen Himmels. —
An einem schönen Sommermorgen verließ ein Arriero mit einem
beladenen Maultiere die Stadt Chihuahua. Wie alle Leute seines
Berufs war er ein Mann von wildem Aussehen, mit langem, un-
geordnetem Haar und Bart, zerrissenen Beinkleidern und zerlumptem