1. Bd. 2
- S. 415
1886 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
415
Moskitonetz versehen ist und es kunstgerecht aufzuhängen weiß, dem
gönnen diese kleinen Peiniger keinen Schlaf, keine schmerzlose Minute.
In vielen Gegenden ist die Plage selbst am Tage unbeschreiblich. Je
trockener die Jahreszeit und der Wald, desto massenhafter erscheinen
die kleinen Garapaten, Baumläuse von spiunensörmigem Ansehen, die
sich bei der geringsten Berührung eines Busches an die Kleider des
Wanderers festsetzen und in die Haut einfressen.
Auch die Tiere haben von den Insekten schwer zu leiden. Die
blutsaugenden Fledermäuse sind in den Llanos die Plage der Herden
und der Schrecken der Hacienda-Besitzer. In den Grasebenen von
Guanacaste im Staat Costa Rica kommt eine große Erdspinne vor,
die alljährlich Hunderte von Pferden durch ihren Biß am Fuß
tötet, welcher Eiterung erregt, und infolgedessen die Pferde ihre Hufe
verlieren.
Nicht so stetig ist in diesem Lande die furchtbare Erscheinung der
Wanderheuschrecken. Man rechnet zweimal in jedem Jahrhundert auf
ihren Besuch. Wenn sie aber einmal da sind, so setzen sie ihre Ver-
heerungen drei bis vier Jahre hintereinander fort, und verschwinden
dann plötzlich aus unbekannten Ursachen, nachdem sie der Anwendung
aller menschlichen Zerstörungsmittel getrotzt hatten. Diese Plage stellte
sich leider tvährend unseres Besuches in Mittel-Amerika in den
Jahren 1853 und 1854 ein. Sie hatte, wie gewöhnlich, gänzliche
Mißernten in den tiefen Regionen und Hungersnot zur Folge. Die
Heuschrecken kommen aus dem Süden wolkenartig geflogen. Sie
verbreiteten sich zuerst über Costa Rica und Nicaragua und er-
schienen erst ein halbes Jahr darauf in San Salvador, Honduras
und Guatemala.
Wenn die Schwärme dieser geflügelten Lokusiden sich der Erde
nähern, so verbreiten sie ein eigentümlich schwirrendes Geräusch. Nur
einzelne kleinere Schwärme verwirrten sich in die höheren Andesregionen
von 1250 bis 1570 Meter und besuchten selbst die Hochebene von
Guatemala, zogen sich aber bald wieder von dort in die tieferen
wärmeren Gegenden zurück. Es erneuern sich davon drei Genera-
tionen in jedem Jahr, und die junge Brut bleibt drei Monate lang
kriechend und hüpfend auf Büschen und Bäumen, bis sie Flügel be-
kommt und ausgewachsen ist. Dann erheben sich die Heuschrecken
plötzlich in großen Schwärmen, rauschen hoch in der Luft über den
Urwald hin und lassen sich fast immer nur an gelichteten Stellen
nieder; denn sie lieben mehr die Kulturpflanzen, als die wilde Wald-
vegetation, und nehmen mit letzterer gewöhnlich erst vorlieb, wenn sie
eine Plantage rein abgefressen haben.
In unabsehbaren Massen von vielen tausend Millionen sahen wir
diese Orthopteren während des Sommers 1854 in den Llanos und
Wäldern des Staates Guatemala zwischen Esquintla und Jtapa. Alle
versuchten Mittel des Schreckens wie der Zerstörung durch Trommeln,