1912 -
München
: Kellerer
- Autor: Weber, Adolf, Weber, Amalie
- Auflagennummer (WdK): 9
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): München
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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und golden leuchteten die Augeu, die durchdringend auf ihm
ruhten: „Hat dir die Mutter nie von der Kornfrau erzählt?
Meine armen Kornkinder hast du mit deinen schweren Stiefeln
zertreten, als du dem Schmetterling nachjagtest! Dem hättest
du mit ungeschickten Händen den Farbenschmelz zerstört und
ihn dann häßlich und flügellahm seinem traurigen Los über-
lassen. Er entkam dir glücklich, aber meine hilflose Saat knickte
dein Tritt und sie kann sich nicht mehr erheben. Und doch war
sie bestimmt zu wachsen, sich golden zu färben und reichliche
Frucht in ihren Ähren zu trageu. Wer weiß,'ob dem schlimmes
Tun nicht einen Armen seines Stückleins Brot beraubt hat.
Merke, was dir die Kornfrau sagt: Wer das Getreide zertritt,
ist nicht wert, sich satt zu essen?" „Du hör mich, wilder Junge
du," wisperte ein zartes Stimmchen vom Waldsaum hinter ihm.
Ein putziges Bauernmädchen, Heidelbeerlein im grünen Rock
und zartlila Mieder stand vor ihm: „Hast du mein armes
Schwesterchen wenigstens zu Hause eingepflanzt, damit es nicht
verdurstet und verhungert? Es wollte durchaus uicht mit dir
gehen und klammerte sich an seinem Plätzchen fest, da zerrtest
du es mit Gewalt heraus. Nun ist das Fleckchen leer, wo es
so munter und keck um sich geschaut und kein neues Keimleiu
kann sprießen, du hast ja die Wurzelfüßcheu ausgerissen. So
lange wir mit denen in der lieben Erde stehen und ihren Saft
trinken, körnten wir atmen, gedeihen, neue Triebe ansetzen.
Ohne Würzelchen sind wir verloren wie der Mensch, dessen
Herz nicht mehr schlägt, dessen Lunge nicht mehr atmet. Wären
alle Kinder von deiner Art, dann wäre bald der Boden öd
und kahl!" Zu Hause! Wie eiu Schlag hat ihn das Wort
getroffen. Er hat ja auch Blumen heimgebracht, die schmachten
nach Lust und frischem Wasser und ersticken in der Enge der
dumpfen Büchse. „Haltet mich nicht auf! Laßt mich heim!"
ächzte er.
„Was ist dir, mein Kind? Wach auf!" Besorgt beugte
sich die Mutter über ihn, die frühesten Sonnenstrahlen drangen
ins Zimmer. „Mutter, meine armen Blumen!" „Ich tat sie
gestern uoch ins Wasser, weils mein schläfriger Junge ver-
geffen hat." „Aber die auderu, die Ärmsten draußen, Blumen,
Zweig und Korn! Ich wills nimmer, nimmer tun", schluchzte
er und schlang die Arme um den Hals der Mutter. „Nein,
du wirst mein braver Bub werden!" tröstete Mütterlein und
küßte ihn? die Tränen aus den Augeu.