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1. Heimatkunde von München und Umgebung in Wort und Bild - S. 154

1912 - München : Kellerer
- 154 — und golden leuchteten die Augeu, die durchdringend auf ihm ruhten: „Hat dir die Mutter nie von der Kornfrau erzählt? Meine armen Kornkinder hast du mit deinen schweren Stiefeln zertreten, als du dem Schmetterling nachjagtest! Dem hättest du mit ungeschickten Händen den Farbenschmelz zerstört und ihn dann häßlich und flügellahm seinem traurigen Los über- lassen. Er entkam dir glücklich, aber meine hilflose Saat knickte dein Tritt und sie kann sich nicht mehr erheben. Und doch war sie bestimmt zu wachsen, sich golden zu färben und reichliche Frucht in ihren Ähren zu trageu. Wer weiß,'ob dem schlimmes Tun nicht einen Armen seines Stückleins Brot beraubt hat. Merke, was dir die Kornfrau sagt: Wer das Getreide zertritt, ist nicht wert, sich satt zu essen?" „Du hör mich, wilder Junge du," wisperte ein zartes Stimmchen vom Waldsaum hinter ihm. Ein putziges Bauernmädchen, Heidelbeerlein im grünen Rock und zartlila Mieder stand vor ihm: „Hast du mein armes Schwesterchen wenigstens zu Hause eingepflanzt, damit es nicht verdurstet und verhungert? Es wollte durchaus uicht mit dir gehen und klammerte sich an seinem Plätzchen fest, da zerrtest du es mit Gewalt heraus. Nun ist das Fleckchen leer, wo es so munter und keck um sich geschaut und kein neues Keimleiu kann sprießen, du hast ja die Wurzelfüßcheu ausgerissen. So lange wir mit denen in der lieben Erde stehen und ihren Saft trinken, körnten wir atmen, gedeihen, neue Triebe ansetzen. Ohne Würzelchen sind wir verloren wie der Mensch, dessen Herz nicht mehr schlägt, dessen Lunge nicht mehr atmet. Wären alle Kinder von deiner Art, dann wäre bald der Boden öd und kahl!" Zu Hause! Wie eiu Schlag hat ihn das Wort getroffen. Er hat ja auch Blumen heimgebracht, die schmachten nach Lust und frischem Wasser und ersticken in der Enge der dumpfen Büchse. „Haltet mich nicht auf! Laßt mich heim!" ächzte er. „Was ist dir, mein Kind? Wach auf!" Besorgt beugte sich die Mutter über ihn, die frühesten Sonnenstrahlen drangen ins Zimmer. „Mutter, meine armen Blumen!" „Ich tat sie gestern uoch ins Wasser, weils mein schläfriger Junge ver- geffen hat." „Aber die auderu, die Ärmsten draußen, Blumen, Zweig und Korn! Ich wills nimmer, nimmer tun", schluchzte er und schlang die Arme um den Hals der Mutter. „Nein, du wirst mein braver Bub werden!" tröstete Mütterlein und küßte ihn? die Tränen aus den Augeu.
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