1906 -
Minden i.W.
: Volkening
- Autor: Schulze, Gustav, Bohnenkamp, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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hat zwei sehenswerte Kirchen und ein katholisches Lehrerseminar.
Bei der Stadt sind bedeutende Steinbrüche.
Inmitten der Börde liegt Soest, das vorwiegend Ackerbau
treibt und auch eine Zuckerfabrik hal. Soest ist die Stadt der
Kirchen und Schulen. Sie beherbergt in ihren Mauern, ein
Predigerseminar, ein evangelisches Lehrerseminar, eine Blinden-
und eine Taubstummenanstalt, eine Präparandenanstalt. Von
den mancherlei Kirchen sind die katholische Patroklikirche und
die evangelische Wiesenkirche besonders schön. Die erste wurde
von dem Erzbischof Bruno von Cöln, dem Bruder des Kaisers
Otto I., errichtet. Sie enthält in einem prachtvollen Kasten die
Gebeine des heiligen Patroklus, der der Schutzheilige der ganzen
Stadt ist, und besaß früher auch deu „Großen Gott von Soest",
ein goldenes Kruzifix, das Karl der Große gestiftet haben soll,
das aber längst gestohlen ist. Die Wiesenkirche wurde von
einer Gräfin zum Dank für die glückliche Rückkehr ihres Gemahls
aus den Kreuzzügen gegründet. Sie ist unter König Friedrich
Wilhelm Iv. wiederhergestellt. Das Schiff ruht auf schlanken
Säulen und wird von drei Chören eingeschlossen, vou denen
namentlich das mittlere herrliche Verzierungen und prächtige
Glasmalereien in den hohen Fenstern hat.
Soest ist eine sehr alte und berühmte Stadt. Sie hatte
einst feste Mauern mit 36 Türmen. Reste der alten Befesti-
gnng sind noch zu sehen. Der Wall ist zu einem schönen Spazier-
gange, der Graben zu Obstgärten umgewandelt worden. In
ihrer besten Zeit zählte die Stadt mindestens 30 000 Bürger,
während die jetzige Einwohnerzahl etwa die Hälfte beträgt.
Mitten in der Stadt sind große Gärten, mit hohen Mauern an
den Straßen und Gassen eingefriedigt. Daher nennt man Soest
auch wohl „das größte Dorf Westfalens". Zur Zeit des Mittel-
alters, als die Raubritter im deutschen Vaterlande ihr Wesen
trieben, schlössen sich die bedeutendsten Handelsstädte des Landes
zu einem Bunde zusammen, um sich gemeinsam gegen die Räuber
zu wehren. Dieser Bund hieß die „H ans a". Zu ihr gehörten
mehrere westfälische Städte. Unter diesen nahm Soest als die
bedeutendste den ersten Platz ein.
Als das alte Herzogtum Sachsen zerfiel, kam Soest an das Erzstift
Cöln. Doch behielt und bewahrte die Stadt viele Rechte und Freiheiten.
Eiuer der Erzbischöfe Cölns, Dietrich von Mörs, wollte diese Rechte an-
tasten. Da sagten die Soester ihm förmlich ab und erwählten den
Herzog Johann von Cleve, der zugleich Graf von der Mark war, zu
ihrem Schirmherru. Mit ihm schlössen sie ein Bündnis und erbaten
sich seinen Sohn zum Feldhauptmann. So brach im Jahre 1444 die