1908 -
Verden
: [Selbstverl.] F. Vogeler und H. Wilkens
- Autor: Wilkens, Hans, Vogeler, F.
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch, Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Die Marschen sind überall, von den Wurten abgesehen,
eben. Stunden-, ja meilenweit schweift das Auge über unab-
sehbare Flächen dahin, die in der schweren Marsch aus Weiden
mit dem saftigsten Grase, in der leichten Marsch aber aus
Äckern mit mannshohem Korn bestehen. Das alte Land mit
feinem Blütenschnee und die goldgelben Rapsselder Hadelns
gewähren einen ebenso herrlichen Anblick wie die weiten mit
grasendem Vieh belebten Weiden der Marschländer Kehdingen
und Wursten. Wälder sucht man in den Marschen vergebens.
Nur die stattlichen Wohnstätten der Marschbewohner sind oft
von kleinen Hainen umgeben. Auch Felsen und Steine, die
nicht etwa von Menschenhand dorthin getragen sind, findet
man auf dem ebenen Boden der Marschen nicht. Der Marsch-
bauer sieht den Ernten im Herbste mit aller Ruhe entgegen,
bringt ihm doch das fruchtbare Land Korn in Hülle und Fülle.
Die Bewohner der Marschen, die den Gefahren des Meeres
ausgesetzt waren, sind noch heute sast reine Friesen d. i. Rand-
bewohner, zum Beispiel die Bewohner des Landes Wursten,
weiter landeinwärts, z. B. in den Flußmarschen der Weser
und Aller, wohnen auch Niedersachsen. Andererseits haben
sich auch beide Völkerstämme im Lause der Jahrhunderte ver-
mischt, z. B. in der Ostemarsch. Von Ansang an waren die
Niedersachsen nur Geestbewohner. Im Alten Lande wohnen
noch heute Flamländer, welche um das 12. Jahrhundert vom Erz-
bischos von Bremen ins Land gerufen wurden, um es mit Deich-
bauen zu beschützen und es zu bebauen. Ihre Wahrzeichen sind 2
sich in die Brust beißende Schwäne am Giebelfirst der zierlichen
Wohnhäuser. Die Dörfer der Marschen ziehen sich gewöhnlich
zu beiden Seiten der Landstraßen langgestreckt dahin. Ein
Ort schließt sich oft unmittelbar an den andern an. Zur
Pflasterung der Straßen benutzt man fast immer Klinkersteine,
d. i. sehr hart gebrannte dunkle Ziegelsteine, die, aneinander
gefügt, einen vorzüglichen Fahrweg bieten. Die Nähe des
Meeres oder der Ströme lockte viele Bewohner aus das Wasser,
und unsere Flotte stellt sehr gern Söhne aus den Marschge-
bieten in die Marine ein.
6) Die Moorlandschaften des Regierungsbezirks.
Das Moorgebiet unseres Regierungsbezirks zeigt sich
sowohl am Rande der Marschen als auch mitten in der Geest-
landschast. Als die Wogen der Nordsee in alter Zeit über
unser Land dahinrollten, wurde durch Stürme der Grund des