1905 -
Halle a. S.
: Schroedel, Pädag. Verl.
- Autor: Wulle, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt, Präparandenanstalt, Seminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Rätier durch Überreste römischer Niederlassungen entstanden und
bewohnen einige Täler des oberen Etschgebietes (Grödener Tal),
das Engadin und Täler des oberen Rheingebiets. Neuromanen,
Italiener und Franzosen bewohnen den ganzen Süden und
Westen.
Slaven, über 1 Mill., bevölkern den gesamten Südosten.
Der Alpennatur entsprechend, besteht die Beschäftigung der
Bewohner zumeist in Viehwirtschaft. Die Matten mit ihrem zwar
kurzen, aber dichten und gewürzhasten Grase sind von der Natur
selbst zur Viehweide bestimmt und können nur als solche verwendet
werden (Sennenwirtschast). Ackerbau wird bei der mühsamen Be-
stellung der Felder nur in geringem Umfange betrieben. Bergbau
aus Bausteine, Eisen, Blei, Quecksilber und Salz beschäftigt die Be-
wohner im Norden und Osten; das Salz wird nicht bergmännisch
gewonnen, sondern die Sole erhält man durch Auslaugen großer,
von Menschenhand geschaffener Hohlräume. Der Waldreichtum ge-
währt vielen Beschäftigung durch Schlagen und Flößen des Holzes;
kunstreiche Schnitzer und geschickte Drechsler verarbeiten besonders
das Holz der Zirbelkiefer. Die Bewohner mancher Täler wandern
in die Fremde, um die Erzeugnisse ihres Fleißes umzusetzen: der
Zillertaler mit Lederwaren, der Pustertaler als Teppichhändler, der
Lechtaler mit Schnittwaren und Sehenswürdigkeiten. Eine Lieblings-
beschäftigung aller Älpler ist die Jagd, besonders die Gemsenjagd,
der nicht nur Männer, sondern zuweilen auch Frauen und Mädchen
mit ihrem „Stutzen" fröhnen. Außer diesem, oft zur Leidenschast
gesteigerten Hange zur Jagd besitzen die Alpenbewohner noch andere
gemeinsame Züge. Die oft mit Lebensgesahr verbundenen Arbeiten
für den Haushalt oder die Wanderungen über das Gebirge ver-
leihen dem Älpler Mut und stärken seine Körperkraft und sein
Selbstvertrauen; sie richten aber auch seinen Blick nach oben
und erhalten ihm seinen frommen Sinn; das Selbstvertrauen
wächst zum Selbstbewußtsein, das sich im Stolz auf seine heimischen
Gefilde und in einer starken Freiheits- und Vaterlandsliebe
äußert. Die Frische der Älpler offenbart sich in ihrer Gesanges-
tust und ihre Kraft und Gewandtheit in den mancherlei Volks-
belustigungen. Gemeinsam ist auch allen deutschen Alpeulandschasten
die Bauart der Häuser. Das flachgiebelige, weit vorspringende
Dach ist mit Schindeln gedeckt; das obere Stockwerk ist aus Holz ge-
zimmert; ein hölzerner Altan läuft um das Haus an mehreren
Seiten, und der Giebel ist mit Schnitzwerk geziert. Die vordere
Hälfte des Hauses enthält die Wohnung für die Menschen, die
hintere die Viehställe; darüber ist die Scheune, zu welcher eine stäche
brücke hinaufführt. Auch die Tracht der Bevölkerung hat noch
einige gemeinsame Züge bewahrt. Dahin gehört der beiden Ge-
schlechtem gemeinsame Hut. Die Männer tragen einen grauenloden-
rock; die Hose, aus Gams- oder Ziegenleder, läßt das Knie frei;