1910 -
Halle a. S.
: Schroedel, Pädag. Verl.
- Autor: Wulle, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt, Präparandenanstalt, Seminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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patagonischen Steppen, die, wenngleich noch in der südlichen ge-
mäßigten Zone gelegen, wegen der kalten Meeresströmung, die ihre
Küste bespült, im Sommer so rauh, im Winter so kalt und stürmisch
sind wie nur irgend ein Landstrich im Norden Europas. Das
Innere Patagoniens ist Hochland, das unmerklich von der Cordillere
nach O sich senkt und in Stufen mit 100 —150 m hohen Klippen
zum Meere abfällt. Die wellenförmigen Ebenen sind mit grobem
Grase bedeckt und von Guanacos und Straußen belebt.
Dem Charakter der Antarktis nähert sich der unwirtliche
Feuerland-Archipel.
Bewohner. (Die Karte zeigt die Verteilung der Bewohner nach Ab-
stammung und Dichte.) Die einheimische Bevölkerung, die Indianer,
haben als gemeinsame Eigentümlichkeiten einen gedrungenen
Körperbau, ein breites Gesicht mit vorspringenden Backenknochen
und niedriger, schmaler Stirn. Kleine schiefgestellte Augen erinnern
bei einigen Stämmen an die mongolische Rasse, während andere
Stämme Ähnlichkeit mit den Polynesiern aufweisen. Die Hautfarbe
ist hellbraun, selten kupferrot, das Haar meist schwarz und fast stets
straff und schlicht; der Bart spärlich. Die Körpergröße schwankt
zwischen 150—180 cm und ist im S bedeutender als im N, wie
überhaupt die Bewohner des tropischen Teiles in ihrem körperlichen
und geistigen Leben durch die Überfülle der Natur gehemmt werden.
Eine starke oder gänzliche Entblößung des Körpers ist bei ihnen die
Regel. Ohne Gebrauch der Hängematte, ohne Boote, vielfach durch
Lippen- und Ohrverstümmelung ausgezeichnet, führen sie ein
schweifendes Jägerleben. Fischerei, Jagd, Maniokbau sind die
wichtigsten Nahrungsquellen. Sie verharren, zumal im Innern der
weiten Waldregionen an den Ufern der Riesenströme, noch auf den
niedrigsten Stufen der geselligen und geistigen Gesittung und bilden
keine durch gemeinsame Bande vereinigte Völkerschaften, sondern nur
Horden.
Auf welcher niedrigen Entwicklungsstufe diese Völker noch stehen, davon
legt Karl von der Steinen in seiner Schilderung der Tingn(schingu)-Jndianer ein
bezeichnendes Zeugnis ab. „Daß die .Nnguindianer sich noch in keiner Weise
den Begriff eines höheren Wesens formuliert hatten, das geliebt oder gefürchtet
wird, von dem sie sich abhängig fühlen, darin lag bei der Einfachheit ihrer
sozialen Verhältnisse nichts Wunderbares; — — ich war ebenso nicht weiter er-
staunt, als ich beim Sammeln ihrer Legenden von den alten Zauberern erfuhr,
die sich beliebig in Tiere verwandelten, als man mir erzählte, daß früher nicht
nur die Tiere, sondern auch die Gegenstände bis auf die Fußspur am Boden mit
menschlicher Sprache begabt gewesen seien. — — Aber ich darf gestehen, daß ich
mich allmählich überzeugen mußte, daß sie an ihre Abstammung von Jaguaren
fest glaubten, andere Stämme für Wassertiere hielten; — — man behauptet nicht
etwa des schönen Vergleichs halber, der Regenbogen sei eine Wasserschlange, das
südliche Kreuz ein Vogel Strauß — nein, mit diesen Namen erklärte man, man
erkannte in dieser Weise."
Die südlichen Stämme haben sich seit der Einführung des
Pferdes durch die Europäer in wilde Jäger- und Reitervölker um-