1910 -
Halle a. S.
: Schroedel, Pädag. Verl.
- Autor: Wulle, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt, Präparandenanstalt, Seminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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von allen Reisenden das Kongoland im Vergleich zu Ostafrika als
eine tierarme Region bezeichnet.
Bewohner und wirtschaftliche Verhältnisse. Der Hauptsache
nach sind die Bewohner Bantuneger; nur im No sind die den
nordafrikanischen Mischvölkern zugehörigen N i a m - N i a m herein-
gedrungen, und zerstreut im Innern zeigen sich hier und da Zwerg-
Völker', z.b. die Akka nö von den Stanley-Fällen, die Batua w
vom Tanganjikasee.
Sie erreichen noch nicht 1,5 m, wohnen in Erdhöhlen oder Grashütten,
leben von der Jagd und werden Fremden durch ihre vergifteten Pfeile, die sie
aus sicherem Versteck abschießen, gefährlich. Sie unterscheiden sich nicht nur durch
ihre Größe, sondern auch durch Sprache und Sitte wesentlich von den Bantu-
negern und werden als Reste der afrikanischen Urbevölkerung angesehen.
Die Neger sind nicht so häßlich, wie man sie bisher darzustellen beliebte;
man findet unter ihnen ein wohltuendes Ebenmaß des Körperbaus, verbunden
mit Kraftfülle, so daß Reisende nichts von dem sogenannten Negertypus wahr-
nehmen konnten. Allen gemeinsam ist der schmale, mehr oder weniger hohe
Schädel, die nach hinten zurückweichende Stirn. Die Nase ist hohlrückig, zuweilen
auch gerade oder selbst gebogen; die Kiefer sind in verschiedenem Grade nach vorn
stehend, die Lippen aufgeworfen. Das meistens kurze Haar ist im Querschnitt
elliptisch und stark gekräuselt; bei Kassern und Betschuanen versilzt es sich büschel-
förmig. Die Haut variiert vom Dunkelgelbbraun bis zum dunkelsten Schwarz in
den verschiedensten Nuancen; fast immer übersteigt die Farbe die südeuropäische
Bräunung.
In sprachlicher Hinsicht unterscheiden sich die im N wohneuden Sudanneger
von den den ganzen S von der Wasserscheide zwischen Schari und Kongo an ein-
nehmenden Bantunegern, deren Sprache für reiner und altertümlicher gilt als die
der mit den Hamiten Nordafrikas vermischten Sudanneger. Im allgemeinen
haben die Neger wenig Neigung zu stetiger Arbeit; doch besitzen einige namentlich
als Träger von Lasten außerordentliche Kraft und Ausdauer (Kruneger). In den
Kulturlandschaften des Sudan, des Kongo, des Sambesi und zwischen den oft-
afrikanischen Seen und der Küste wird Ackerbau und Viehzucht getrieben; freilich
wird bei den meisten Stämmen die Feldarbeit durch Sklaven und durch die
Frauen verrichtet, während allein der Krieg und die Jagd eines freien Mannes
würdig ist. Wenn einzelnen Völkern auch das Bestreben, ihre Zustände selbst zu
bessern, nicht abzusprechen, Geschicklichkeit und Erfindungsgabe in der Anfertigung
von Handarbeiten ihnen eigen ist, so scheint doch die Leichtigkeit, mit welcher die
Natur ihre Gaben sich abgewinnen läßt, lähmend aus die Entwickelung der geistigen
Fähigkeiten eingewirkt zu haben. Der Pflug ist bis nach Jnnerasrika noch nicht
eingedrungen. Sorglosigkeit und Leichtlebigkeit äußert sich in übersprudelndem
Frohsinn, und ihre Oberflächlichkeit in der Neigung zu Lüge und Diebstahl. Wohl
können sie aber im allgemeinen als gelehrig bezeichnet werden, da sie selbst
schwieliger herzustellende europäische Erzeugnisse nachzubilden in einiger Zeit im-
stände sind. Sprach- und Lesetalent sollen sie ebenfalls in hohem Maße besitzen.
Es gleicht der Neger einem der Arbeit ungewohnten, noch ganz unter der Herr-
schast seiner sinnlichen Natur und der Einflüsse von außen stehenden Kinde. Er
steht noch völlig unter dem Übergewicht des Naturlebens. Darum ist auch seine
Religion hauptsächlich eine Religion der Furcht und des Schreckens. Durch
Zauberdinge (Fetische), die den Sinn von Amuletten haben, sucht er sich vor den
bösen Geistern zu schützen. Freilich genossen die Fetische als Sitz höherer Wesen
bald selbst götzendienerische Verehrung. Die Vermittler zwischen den Geistern
und den Menschen sind die Zauberer, die zunächst Häuptlinge sind oder eine eigne
Kaste bilden.
Das nomadisierende Leben der nur Viehzucht treibenden Stämme sowie
der Raubbau der mit Feldbau sich beschäftigenden Stämme läßt den Erdraum