1905 -
Halle a.S.
: Schroedel, Pädag. Verl.
- Autor: Wulle, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt, Präparandenanstalt, Seminar
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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wendische Fischerdorf Kölln, auf dein rechten Ufer das Dorf Berlin, meist von
Kaufleuten, gewiß vorherrschend deutschen Ursprungs, bewohnt. In der ersten
Hälfte des 13. Jahrhunderts treten beide Orte als Städte aus, die schon einige
Bedeutung besitzen, und nach ihrer Vereinigung 1307 wuchs ihr Ansehen und ihre
Macht. Berlin-Kölln wurde Mitglied der Hansa, und in der unruhigen Zeit des
14. und 15. Jahrhunderts erreichte die Doppelstadt fast reichsstädtische Selbständig
keit. Im Widerstand gegen den Kurfürsten Friedrich Ii. verlor sie ihre Borrechte
und mußte sich die Anlage einer Zwingburg gefallen lassen. Seinen Aufschwung
verdankt das heutige Berlin der besonderen Fürsorge der Hohenzollern von dein
Großen Kurfürsten an. Bei seinem Regierungsantritt hatte die Stadt, die im
30jährigen Kriege furchtbar gelitten hatte, nur 6000 Einwohner. Indem er zahl-
reiche fremde Kolonisten, namentlich französische Reformierte (Refugies), herbeizog,
wuchs die Einwohnerzahl auf 20000 (der zehnte Einwohner war ein Franzose).
1701 wurde Berlin königliche Residenz und zählte bereits 50000 Bewohner.
Heute ist sie mit einer Einwohnerzahl von 2 Mill. die drittgrößte Stadt des
Kontinents.
Im Kern der Stadt liegen ans der Spreeinsel Alt-Kölln, auf dem rechten
Ufer Alt-Berlin, ans dem linken Ufer Nen-Kölln und Friedrichswerder. Diesen
früher von Festungswerken umschlossenen Kern umgibt eine zweite Zone, die nach
außen durch den an Stelle der ehemaligen Stadtmauer getretenen Straßenring
begrenzt wird. In ihr aus dem rechten Spreeuser das Stralauer, das Königs-,
das Spandauer Viertel und die Friedrich Wilhelm Stadt; auf dem linken die
Dorotheenstadt, die Friedrichsstadt und die Lnisenstadt. Außerhalb dieser Stadt-
teile liegen die Vorstädte, mit welchen die ganze Stadt einen Flächenraum von
63 qkrn umfaßt. Zur Zeit wird das Weichbild der Stadt von 933 Straßen
durchzogen, die durch 10 Parkanlagen, 104 Schmuckplätze und 66 Brücken unter
brachen werden. Die längste Straße mißt 3,640 km; die drittlängste ist die
Friedrichstraße, 3,067 km. Die schönste ist die „Unter den Linden", 1,350 km
lang und 50 m breit. Nebst ihrer östlichen Fortsetzung, dem Platz am Opernhaus
und dem Lustgarten, ist sie der Brennpunkt des Berliner Glanzes und Lebeu?,
zugleich die an historischen Erinnerungen reichste Stätte. Eine vierfache Reihe
von Linden und Kastanien beschattet sie, und eingefaßt wird sie von stattlichen
Palästen und glänzenden Kaufläden. Am Ostende der Linden erhebt sich Rauchs
Denkmal Friedrichs des Großeu bis zu einer Höhe von 13 m; die Figur
Friedrichs mit dem Pferde beträgt allein 5,65 m. Südlich von diesem das
Palais Kaiser Wilhelms I. mit dem historischen Eckfenster. Ihm und dem
Opernhaus gegenüber die Universität. An letztere schließt sich nach Osten
die Königs-Wache und die Ruhmeshalle mit dem Zeughause an. Die
Schloßbrücke mit acht Marmorgrnppen, welche die Laufbahn eines Helden in
idealer Weise darstellen, führt rechts zum Königlichen Schloß, links zum Lust-
garten sauf der Spreeinsel). Westlich vom Schloß, das von unserm jetzigen
Kaiser Wilhelm Ii. bewohnt wird, die Schloßsreiheit, anf welcher das Kaiser
Wilhelm-Denkmal seine Stätte gefunden hat; vor der Südfront, auf dem
Schloßplatz, der Schloßbrunnen, ein monumentales Werk, von Professor
Begas geschaffen. Der Lustgarten, zuerst als Zier bezw. als Obst- und Küchen
garten angelegt, von 1714 bis 1824 Exerzierplatz, seit 1824 wieder mit Garten-
anlagen geschmückt, hat eine Größe von 42000 und über 1000 qrn Schmuck-
sache; hier endete die große Parade, die Kaiser Wilhelm 1871 über die siegreichen
Truppen abnahm. In der Mitte das Reiter st andbildfriedrichwilhelms Iii.,
gegen Norden das alte und hinter demselben das neue Museum. Bor dem
alten Museum die 7 m im Durchmesser haltende, 1500 Zentner schwere Schale,
die aus einem Teile eines der beiden Markgrafensteine bei Fürstenwalde hergestellt
worden ist. An der Ostseite des Lustgartens der Dom. Vom Schloßplatz leitet
die neue Lange Brücke mit dem Reiterstandbild des Großen Kurfürsten
nach der Köuigsstraße und dem Rathause in Alt-Berlin. Am westlichen Ende
der „Linden" erhebt sich das Brandenburger Tor, nach dem Mnster der Vor
hallen (Propyläen) der Akropolis von Athen erbaut. Auf ihm steht das 6 in