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1. Lesebuch der Erdkunde - S. 83

1884 - Calw [u. a.] : Verl. der Vereinsbuchh.
4. Klima und belebte llatur der Alpen. 83 Kirschen Herabkommen; die Ernte ist im Thale vorüber, auf den höchsten Höhen sind die Gerstenfelder noch grün, und auf den Alpenmatten sproßt zwischen herrlichen Frühlingsalpenblumen das erste Grün hervor; und wenn auf den mittleren Höhen die Ernte beginnt, sind die Alpengräte und Kolosse bereits wieder in ihr Schnee- gewand eingehüllt. Nun beginnt die u n t e r e Alpenregion (4) bis 2000 oder 2300 m. Hier erscheinen bereits einzelne dauernde Schneeflecke, aber dennoch ist es die Region der würzigsten Alpenweiden, der Hochalpen, obwohl sie erst Mitte Juli auf wenige Wochen besucht werden. Es herrscht hier schon das Klima von Island: ein sehr kurzer Sommer, der Winter hat die Oberhand und beginnt schon im August. Die obere A l p e n r e g i o n (5) bis zur Schneegrenze (2600 m) kennt nur noch einzelne Alpenpflanzen, die mit ihren prachtvollen Blüten zwischen den Flechten hervorwachsen, welche den kahlen Felsen je und je bedecken, wie in Grönland und Labrador; das Pflanzenleben erstarrt bereits vor dem herrschenden Eise und der Felsennatur. Hier ist es, wo die Gemse, vom Jäger verfolgt, von Klippe zu Klippe springt, wo der Bär, der selten gewordene Steinbock haust, das Murmeltier piept, der Adler und Lämmergeier einsam horstet. Endlich hüllt die S ch n e e r e g i o n (6) die ganze Schöpfung in ewige Et- starrung. Nur die schroffen und steilen Riesengipfel bleiben frei von der Schnee- bedecknng, alles sonst, Schluchten und Abhänge, Rücken und Alpendome, wo sich nur irgend Schnee halten kann, ist mit großen Schnee- und Eismassen belastet. Hier vermag die Sonne kein Pflänzchen mehr zu erzeugen, auch alles tierische Leben ist erstorben. Verirrt sich ein Insekt, auf den Lüften getragen, in diese eisigen Höhen, so fällt es dem Tode anheim; Gemse, Steinbock, Murmeltier, ja Adler und Bach- stelze wagen sich kaum noch in die unteren Gegenden. Hier ist das Klima der Polarzone. Mag auch in den heißesten Monaten der Sonnenstrahl die Schnee- und Eisdecken etwas erweichen, schon am Nachmittage tritt wieder grimmige Kälte ein, und was über den Mittag geschmolzen war, gefriert bereits wieder. So dauert dieser Kampf seit Jahrtausenden fort, und ruht nur im Winter auf längere Zeit, um im hohen Sommer ebenso erfolglos aufs neue zu beginnen. Die lautlose Grabes- stille wird nur auf Augenblicke von dem Getöse berstender Felsenmassen oder von dem Donnern der Lawinen unterbrochen, die von den Steilhängender Fels- gipfel, oft nur durch einen Laut in Bewegung gefetzt, in die Tiefe rollen, und, durch den Druck der Luft nicht felten ganze Waldungen, Felsblöcke und Hütten mit fort- reißend und alles in die ungeheuren Schneemassen fest ballend, häufig ganze Strecken des Thales samt Wohnungen, Herden und allem bedecken oder fortschleudern und zertrümmern. Dagegen bietet die Schneeregion geistige Genüsse, von denen der Be- wohner der Niederuug keinen Begriff hat, — die majestätischen Aussichten auf ihren Gipfeln. Zwar ohne Führer und Träger mit Stricken, Stangen, Äxten, Lebens- Mitteln n. s. w. ist ihre Ersteigung gar nicht möglich. Aber, kostet sie auch große Beschwerden und gefährliche Mühsale — sie eröffnet dem Kinde dieses Planeten eine neue Welt. Die Überschau der ganzen Alpenschöpfung, über sich den schwarzblauen Himmel und die in der dünnen Luft nicht mehr glühendstrahlende, nur weißleuchtende Sonne, zu den Füßen in den Thälern und an den Seen die Städte und Wohnungen der Menschen, am Rande des Gesichtskreises ferne Meere und Länder, welch ein er- habener, alle Hoheit der Erde übertreffender Anblick! Doch, das Auge und Angesicht fühlt einen Schmerz, Lippen und Nase bluten, eisige Kälte und Schwindel, heftiger
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