1884 -
Calw [u. a.]
: Verl. der Vereinsbuchh.
- Autor: Behr, Friedrich, Schwarz, Eduard, Frohnmeyer, Immanuel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
3. Volk und Staat. 95
deutsche Männlichkeit in Zeiten der Verwirrung selbst geholfen — ist es so weit
gekommen, daß die Schweiz sich oft mehr an Frankreich angeschlossen hat, das von jeher
gegen sie klug und freundlich war.
Von französischem Volke wohnt über *[2 Million (600 000) auf Schweizer
Boden, von italienischem etwa 146 000, das romanische Gebiet zählt
etwa 38 000 Seelen.
Dem kirchlichen Bekenntnisse nach ist die Westschweiz (außer Freiburg)
samt Zürich, Schaffhausen und Glarns vorwiegend reformiert, die Ur-Schweiz
und der Süden, samt Freiburg, Solothuru und dem Berner Jura, überwiegend
katholisch; die ganze Ostschweiz samt Genf und Aargau gemischt. Es sind
also dem Räume nach so ziemlich 3 gleiche Teile. Katholische Bischofssitze sind in
Solothnrn, Freiburg, Sitten, St. Gallen und Chur.
§ 95. Das Schweizer Volk ist ein schöngebauter Menschenstamm, voll Kraft und
Lebensfrische, freigesinnt und treuherzig; dabei arbeitsam, geschickt und lebensgewandt.
Haben die Bewohner oft Mühe, dem wenigen und manchmal kargen Feldboden
^etwas Nahrung abzugewinnen, so sind sie rührig, durch Gewerbe sich ihren Unter-
halt zu ergänzen, — durch die ganze Schweiz zieht ein reges, emsiges Gewerbsleben.
Nicht nur erheben sich allerwärts stattliche Fabriken, auch in der Hütte des Land-
manns ist der Webestuhl im Gange; schon das Kind nimmt nach Kräften munter
Teil am Erwerbe.
Überall tritt der Sinn für Ordnung und Erhaltung, für Zweckmäßigkeit,
Reinlichkeit und Schönheit zu Tage. Beinahe allerorten — mit Ausnahme der
ärmsten Hirtengegenden — gewahrt man Wohlstand und Frohmut. Hübsche Dörfer,
schmucke, in den Appenzeller und Berner Gebieten wunderliebliche Landhütten, oft
mit zierlichen Gärtchen, anmutige, selbst prächtige Wohngebäude sogar mitten in den
Dörfern, und besonders die stattlichen Hospitäler, Armenhäuser und Schulgebäude u. s. f.
verkündigen überall laut, wie traulich, wie versorgt und vom Gemeinsinn getragen
das heimatliche Leben in der Schweiz sei. Da übrigens die Schweiz in eine Menge
Kantone und Gemeinwesen geteilt ist, die oft durch himmelhohe Berge voneinander
getrennt sind, so zeigen sich große Unterschiede in Mundart, Tracht, Sitten und
Verfassung. Auch kleinliche Parteisucht gegeneinander (der Kantönligeist) macht
sich zuweilen fühlbar. — Gleichwohl durchdringt das Volk ein Gemeinschafts- und
Bürgersinn, eine einsichtsvolle, thatkräftige Teilnahme am Wohl und Wehe des
Ganzen, die es unerachtet feiner kleinen Zahl zu einer Achtung gebietenden Macht
in Europa erhoben hat.
Die Hauptstädte der Schweiz sind Bern, Genf, Bafel und Zürich, lauter
großartige, bildungsreiche, sehr wohlhabende Städte (s. die folg. Tabelle). Bern,
der Sitz der Bundesbehörden, Zürich (25000 Einwohner, mit den Außen-
gemeinden 76 000 Einwohner), durch seine herrliche Lage, seine Industrie und seine
Bildungsanstalten (Universität, Polytechnikum) ausgezeichnet, Basel, durch den
sprichwörtlichen Reichtum seiner Handelshäuser, Genf aber ist nach Paris die vor-
nehmste Hauptstadt der französischen Nationalkultur, die volkreichste Stadt in der
Schweiz und am meisten von Fremden (namentlich Engländern) besucht, wie über-
Haupt kein Land Europas so viele Ausländer beherbergt als die Schweiz, besonders
die französische.
Was die Verfassung der Schweiz betrifft, so ist diese ein Freistaat, und zwar,
nach der Bundesverfassung von 1848 ein Bundesstaat (eine Eidgenossenschaft) von 22