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1. Lesebuch der Erdkunde - S. 135

1884 - Calw [u. a.] : Verl. der Vereinsbuchh.
Württemberg. Das Schwabenland nud sein Volk. 135 Zwar wird der Beobachter die Schwaben in ihrem milden Lande weniger regsam und lebendig, weniger schnellbesonnen und klar, weniger gewandt und thätig als andere Stämme finden, er wird ihr Naturell mit ihrer Mundart vergleichen, die — den breiten Flächen seines Bodens ähnlich — weniger modelliert, breiter und nicht so ausdrucksvoll ist als die alemannische; er wird bei ihnen Mangel an Thatkraft finden, indem sie in der Not sich oft wenig zu helfen wissen, sondern gerne haltlose Hoffnungen und selbst Schlaffheit als Gottvertrauen gelten lassen. Auch wird er sie von kleinlichem, im selbsteigenen Kreise beschränkten, und wieder gegen Fremdes zu blöden Wesen nicht freisprechen, dagegen gerne ihre religiöse, sittliche, häusliche Gemütsart anerkennen, und ebenso ihr sinniges und oft treffend körniges Wesen, besonders aber ihre stille Gemütlichkeit, die den Sinn für das Familienleben, sowie für Gesang und Musik im Schwabenlande bis jetzt erhalten hat. Der Franke im Norden dagegen ist lebhafter, gewandter, und weiß sich bester geltend zu machen. So ist auch seine Sprache fertiger, leichter und fließender, als die schwäbische. Es sind somit, wie in Baden, zwei Stammesarten auf dem Boden von Württemberg vereinigt: die schwäbische im größten Teile des Landes, im Süden noch mit der älteren alemannischen Mundart, und die fränkische im Norden. Sie sind jedoch nicht scharf von einander geschieden, sondern gehen durch viele Zwischen- stufen ineinander über, so daß eine Menge kleiner Gaue mit ihren besonderen Schattierungen der Bewohner entstanden sind. Die kräftigsten und gesundesten Stämme finden sich im südlichen Schwarzwalde, im Neckar-Oberlande, auf der Alb und an ihren Seiten. § 133. Nicht leicht hat ein kleines Land so viele große Männer in allen Ge- bieten menschlicher Tüchtigkeit hervorgebracht, als Schwaben: Helden (wie die Hohen- ftaufen und manche unter den Grasen und Herzogen von Württemberg selbst), Dichter- fürsten (Schiller), große Gelehrte, Astronomen (Kepler), Künstler, Musiker, Mechaniker, Jndnstriemänner n. s. f. Außerdem hat Schwaben Deutschland einst ein Kaisergeschlecht (jene edlen Hohenstaufen) und drei noch regierende Königsgeschlechter gegeben, nämlich außer dem eigenen noch das von Hohenzollern stammende Preußische, und das von Ober- schwaben (Ravensburg zc.) ausgegangene Welsische Haus, von welchem die Fürstenhäuser von Hannover und England abstammen. Noch steht Schwaben als Kulturstaat wohl keinem Land in der Welt nach; es wurde schon von 1482 au mit Land ständen regiert, und war einst der vornehmste Schutz der Reformation, in Süd-Dentschland ist es noch der vorzüglichste Bildungsherd, Stuttgart, nächst Berlin und Leipzig die bedeutendste Stadt der deutschen Bücherwelt, Tübingen eine der ersten Hochschulen Deutschlands. Obgleich es keine der großartigen Erdgestalten besitzt, keinen Weltstrom, kein Meer, kein Hochgebirge, obgleich es — vor- herrschend Landwirtschaft treibend — keineswegs ein reiches, nur ein mäßig wohlhabendes Land ist: so hat es sich doch um einen kleinen Kern im 13. Jahrhundert, das Familiengut der Grafen von Wirtemberg, zu einem ziemlich gleichartigen Ganzen kristallisiert. Seine stärkste Vergrößerung indes gewann Württemberg, wie Baden, infolge der Napoleonischen Kriege, wodurch es 1806 zum Königreich wurde, und sowohl das Nord- land (Fürstentum Hohenlohe 2c.) als das Südland (meist vorderösterreichische Besitzungen) wie schon früher die bedeutenden Reichsstädte im Lande (Ulm, Heilbronn, Reutlingen, Hall, Rottweil, Eßlingen 2c.) erhielt. Württemberg hat übrigens eine ziemlich merkwürdige Weltstellung. Es ist vor- herrschend Neckargebiet, wodurch es Teil hat an der Weltstellung des Rheins und seinen Vorteilen. Durch den Bodensee ist es mit Italien vermittelt, also dem Süden zugekehrt, und sein äußerster Südostpunkt gehört der Alpenwelt an. Vermittelst seines Donauge- bietes aber ist es dem Osten des Weltteils zugekehrt, bis zu dessen fernen Grenzen am Schwarzen Meer. — So ist das Land nach allen Seiten mit der übrigen Welt in Ver-
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