1884 -
Calw [u. a.]
: Verl. der Vereinsbuchh.
- Autor: Behr, Friedrich, Schwarz, Eduard, Frohnmeyer, Immanuel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
242 Ii. Das Deutsche Reich.
lichcm Namen wieder hergestellt wurde. Durch deu Vertrag von Verduu wurde aber
843 Karls des Großen Reich geteilt und Deutschland sing nun erst sein eigenes
Staatsleben an. Die Krone kam nach und nach auf deu sächsischen Stamm, dann wieder
auf den fränkischen, dann auf deu schwäbischen, in den Hohenstaufen zuerst, dann in den
Habsburgern, die jedoch ihre Hauptmacht nach Österreich verpflanzten. Dieses christlich-
römische Reich deutscher Nation währte 1000 Jahre. Ein großer Teil dieser Zeit ist mit
den Kämpfen der Deutschen gegen die Slaven und die heidnischen Prenßen, gegen Italien
und die Päpste, sowie gegen die muhammedanische Macht (in den Kreuzzügen) ausgefüllt.
Judessen zersplitterte das sich nur lose gekittete Reich in Herzogtümer, geistliche und Welt-
liche Herrschaften, Städtebünde und andere Staatsformen.
Die Reformatiou, das Werk Deutschlands, erraug die Glaubensfreiheit, den
Zugang zur heil. Schrift und zum lebendigen Gott, ohne menschliche Mittler; aber nur
für einen Teil der deutscheu Völker. Schon zuvor viel gespalten, ward nun die deutsche
Nation vollends entzwei gerissen. Der entsetzliche Bruderkrieg zwischen den katholischen
und protestantischen Staaten, der in Deutschland 30 Jahre laug wütete, vernichtete ihre
Kraft. Immer mehr erhoben sich die einzelnen Fürsten in deutscheu Landen, und außer-
deutsche Mächte kamen empor. Insbesondere Frankreich, das immer mehr Deutschland
zu schwächen, zu erniedrigen suchte, Stücke von demselben abriß und unausgesetzt um die
höchste Macht rang, — bis es, in dem aus seiner alles erschütternden Revolution geborenen
Napoleon I., dem deutschen Reiche ohne weiteres ein Ende machte (1806) und die deutschen
Mächte, Regenten und Völker auss tiefste knechtete. Es war die verdiente Strafe für Öfter-
reichs Schlendrian, Prenßens Überhebung und der Übrigen Gleichgiltigkeit und Uneinig-
keit. Durch die opferwillige Erhebung Preußens und seine aufrichtige Verbindung mit
Österreich, nach langem Eifern, wurde Deutschland wieder frei 1813. Die ungeheure Ver-
wirrung aber ward so geschlichtet, daß das Kaisertum nicht wieder erstand — denn Prenßen
und Österreich hätten gleiche Ansprüche daran gehabt — sondern daß die von Napoleon
belassenen und durch die Menge der kleinen Fürstentümer, Grafschaften, weltlichen und
geistlichen Herrschaften, Reichsstädte u. s. f. vergrößerten, selbständigen 39 (später 34)
Staaten in einen losen Staatenbund, den „Deutschen Bund" vereinigt wurden, und
zwar in der Weise, daß die Fürsten Abgesandte für den deutschen „Bundestag" nach
Frankfurt sendeten, und da, unter dem abwechselnden Vorsitze Österreichs und Preußens,
die gemeinsamen Angelegenheiten Deutschlauds entschieden.
§ 232. Ein Schritt zur inneren Einigung geschah durch die Stiftung des Zollvereins
(S. 249); allein bei der Zweiteiluug der Vormächte konnte Deutschland nicht zur wirk-
licheu Einheit gelangen. Die gegenseitige Eifersucht vou Preußen und Österreich führte
endlich die Katastrophe des Jahres 1866 herbei, infolge deren Österreich aus dein Ver-
bände des Deutschen Bundes ausschied, und das kraftvoll regierte, kerndeutsche Preußen,
welches sich die Gebiete von Hannover, Kurhessen und Nassau, die Stadt Frankfurt, die
ehemalige Landgrafschaft Hefseu-Homburg und die Herzogtümer Schleswig-Holstein ein-
verleibt hatte, an die Spitze von Deutschland trat, indem es mit den übriggebliebenen
20 Staaten des nördlichen und Mittlern Deutschlands den Norddeutschen Bund er-
richtete und mit den süddeutschen Staaten Allianzverträge schloß. Dieser Bund erweiterte
sich Ende 1870, während des glücklichen und ruhmvollen Krieges gegen Frankreich, durch
den Eintritt der süddeutschen Staaten und des wiedergewonnenen Reichslandes Elsaß-
Lothringen zum Deutschen Reiche, einem Bund von 26 Staaten, dessen Präsidium
der König von Preußen unter dem Namen Deutscher Kaiser führt.
Die wesentlichsten Bestimmungen der Verfassung des Deutschen Reiches
(vom 16. April 1871) sind folgende: Das Bundesgebiet besteht aus den 26 nachher ge-
nannten deutschen Staaten. Die Reichsgesetze, welche den Landesgesetzen vorgehen, werden
beschlossen durch den Bundesrat und den Reichstag. Den Bundesrat bilden die
Vertreter (Bevollmächtigten) der Mitglieder des Bundes, welche im ganzen 58 Stimmen
führen: Preußen 17, Bayern 6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden und Hessen je 3,
Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig je 2, die übrigen (außer Elsaß-Lothringen) je 1.
Der Vorsitz im Bundesrate und die Leitung der Geschäfte desselben steht dem Reichs-
kanzler zu, welcher vom Kaiser ernannt wird. Der Reichstag besteht aus 397
Abgeordneten, die aus allgemeinen und direkten Wahlen hervorgehen, welche alle 3 Jahre
stattfinden und bei denen die Abstimmung geheim ist. Das Präsidium des Bundes