1884 -
Calw [u. a.]
: Verl. der Vereinsbuchh.
- Autor: Behr, Friedrich, Schwarz, Eduard, Frohnmeyer, Immanuel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
526 Xviii. Das Kaisertum Rußland.
scheu Meere in der niedrigsten Linie Wasserläufe — der östliche und der westliche M a-
nytsch, die an der Mündung des Kalauß durch einen merkwürdigen Übergang zu-
sammeuhäugeu, und die nebst der Knma im Frühjahr die von Kalmücken nomadisierte
Steppe dergestalt überschwemmen, daß sie teilweise einem Meere gleicht. Ja, im April
und Mai 1859 schiffte wirklich eine Expedition auf diesen Gewässern bis in den Don.
Ausführbar ist also eine Kanalverbindung zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meere,
die deu bequemsten Wasserweg und eine großartige Handelsstraße nach Asien bilden würde.
Die Wolga (Rha der Mordwinen, Atyl der Tataren), übertrifft alle Ströme
Europas nicht nur an Stromlänge (430 M., also 70 mehr als die Donau), sondern
noch weit mehr iu Bezug auf die Größe des Stromgebiets (26000 Q.-M., fast das
Doppelte von dem der Donau). Auch hat sie Nebenflüsse, die Oka und Kama, welche
jeden andern europäischen Fluß außer der Donau an Größe übertreffen.
Sie entspringt (unweit des Dnjepr und der Düna) auf der W a l d a i h ö h e als
Abfluß eines kleinen sumpfigen Teiches und nimmt alle die vielen Flüsse der ganzen
Mitte von Rußland (außer Don und Dnjepr), mehr als 100, in sich aus. Schon in dem
obern Laufe bis zu dem Knie von Kasan verstärkt sie sich durch ihre bedeutendsten Neben-
flüsse: durch die Oka (150 M. lang) mit der Moskwa und durch die vom Ural her-
strömende, wasserreiche Kama (210 M. lang, „die kleine Wolga" genannt). Von den
Vorhöhen des Ural in ihrem östlichen Laufe gehemmt, folgt sie der Richtung der Kama
(wie die Rhone der Richtung der Saone) gegen S., durchbricht den südrussischen Land-
rücken und wendet sich zuletzt gegen Südost. Da aber findet der prächtige Strom, der
über 400 M. laug schiffbar ist, die Lebensader des ganzen inneren Handels von Rußland,
ein ruhmloses Ende. Er zersplittert sich in ein Stromdelta von 70 seichten Armen (acht
größere), und wird durch seinen Ausfluß iu jenen wenig schiffbaren und meist von No-
maden umwohnten Steppensee, das Kaspische Meer, selbst zu einem asiatischen
S t e p p e n s l u ß. Das rechte Ufer von oberhalb Kasan bis Sarepta, das bis 70 m hoch ist,
heißt Berguser, das linke niedrige von Kasan bis Samara, und wieder von Sara-
tow bis Sarepta — Wiesen user, welches nach den Schneeschmelzen so überschwemmt
wird, daß der Strom 4 Stunden Breite erhält. Großartige Kanäle, welche die Wolga
mit Petersburg und der Ostsee, dem Weißen Meer und alle» Jndnstriegegenden des
Reiches verbinden, machen sie zum Mittelpunkt einer mächtigen Wasserverbindung der
ganzen somatischen Ebene. Drei Kanäle führen nämlich aus der Wolga in die Newa,
einer mittelst des Oncga-, zwei mittelst des Lädoga-Sees. Ein anderer Kanal führt
durch die Scheksna und Suchona in die Dwina. So ist Archangel mit Petersburg und
Astrachan verbunden. Dadurch wird die Wolga die Quelle außerordentlicher Reichtümer,
indem sie (von 126 Stapelplätzen) den Korn- und Holzüberfluß ihrer Uferlandschaften und so
vieler Nebenströme, die Erzeugnisse ihrer Jndustrieeu und Jagden, dann die nralschen
Bergwerksprodukte, und die der ergiebigsten Salzseen der südnralschen Steppe, durch das
ganze Reich und bis an dessen Seehäfen trägt. Ebenso wichtig ist sie durch ihren Reich-
tum an Fischen (Hansen, Stören n. a.), besonders in ihrem untern Laufe. Dem Russen
gilt sie als ein heiliger, Segen bringender Strom, er nennt sie „das Mütterchen Wolga".
Das schwarze Meer nimmt in Rußland deu D u j e st r, Dnjepr und Don
auf, welche sämtlich die Grauitplatte des südrussischen Landrückens durchbrechen, und zwar
der Dnjepr in 3 Stromschnellen, Porogi, unterhalb Jekaterinoslaw. Ferner münden Dnjestr
und Dujepr in einen seichten, die Schiffabrt sehr erschwerenden Busen oder einen L i m a n,
und der Don in das Asowsche Meer, welches schon im Altertum als Sumpf (Palus
Maeotis) bezeichnet wurde und sich immer mehr mit dem vom Don herbeigeführten
Schutte anfüllt.
Das Gebiet des baltischen Meeres (der Ostsee) ist unter den 4 Meeres-
Gebieten Rußlands dem Flächenraume nach das geringste, aber als Mittel zur leichten
Verbindung jeues Tieflandes mit den Kulturländern des nordwestlichen und mittleren
Europas das wichtigste. Die Zuflüsse der Ostsee aus der sarmatischeu Tiefebene durch-
brechen den nördlichen Landrücken in seiner ganzen Breite, und zwar die Düna und
der Njemeu (im untern Laufe, auf preußischem Gebiete, die Memel genannt) mit
Stromschnellen; die Weichsel durchbricht sogar die westlichen Enden beider Landrücken.
Alle aber fließen nicht unmittelbar in die Ostsee, sondern in einen Busen derselben oder
in ein H a s f.