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1. Lesebuch der Erdkunde - S. 659

1884 - Calw [u. a.] : Verl. der Vereinsbuchh.
Lhina. 659 sagen sie auch: „Wir allein sehen mit zwei Augen, die Europäer mit Einem, alle andere Völker sind blind." — Dagegen ist ihre Musik noch ganz die von Barbarenvölkern, ihre Malerei zwar künstlich, aber ohne höhere Ideen, ohne Schatten und ohne Perspektive. Sie haben keinen Sinn für Anmut, Gesang, wahre Schönheit. Hingegen lieben sie spitz- findige Gedanken, fcharf ausgeprägte Gegensätze, geometrische Symmetrie. Gegen die Denkweise anderer Nationen verhielten sie sich abschließend, wie auch, im Gegensatz zu Japan, gegen neue Erfindungen; die Schienen der einzigen Eisenbahnstrecke (bei Schanghai) mußten wieder herausgerissen werden. Denn ist nicht das ganze Land ein Kirchhof, Be- unrnhignng der Totengebeine aber das höchste Verbrechen? Doch sagen ihnen Dampfer, Leuchttürme und Telegraphen zu und andere Neuerungen haben schon viele Anhänger. § 539. Das Regiment in China ist streng, der Drache auf des Kaisers Brust ist sein Siuubild, und die Strafe» sind hart: grausame Leibesstrafen, gräßliche Todesarten, massenhafte Hinrichtungen. Aber die Hauptmittel, durch die der große Polizeistaat regiert wird, bleiben Sittenregeln, die man die Jugend lernen läßt, der Reiz der Standes- auszeichnung, und Stockschläge, denen auch die Beamteu unterworfen sind. Zwar herrscht unter diesen eine furchtbare Verdorbenheit und Mißregieruug. Doch besteht trotz allem durch das gauze Reich große Freiheit: wenig Militär und Polizei, keine Pässe, die Städte unter Selbstregierung, Dörfer und Landstädte fast nur von Familien gleicher Abkunft bewohnt, große Leichtigkeit des Grunderwerbs und Verkaufs, ebenso des Reifens und Auswauderns, völlige Freiheit des Gewerbs, sowie der Bildung von Vereinen, die doch durch Geheimverbindungen oft staatsgefährlich werden. Die Chinesen sind kein Religionsvolk wie die Hindu, die Tibetaner, die Türken oder Russen; ihr Staat ist ein Gelehrtenstaat. Wissenschaft gilt unendlich viel mehr als alle Militärgröße. Den Kaiser achtet man als Inbegriff aller Weisheit. Die oberste Prüfuugsbehörde in Peking ist der höchste Reichskörper des Staats. In jeder Provinz ist eine Exzellenz Oberintendant der Wissenschaften. Durch ein großes System von Prüfungen werden die besten Köpfe für den Staatsdienst erlesen. Der eigentliche Adel ist die Elite der höchsten Gelehrten, ohne die der Kaiser keinen hohen Beamten anstellen kann. Den höchsten Staatskörpern liegt es ob, die Encyklopädieen abzufassen. Jeder Bewerber um irgend ein Amt muß sich vor allem über seine Gelehrsamkeit ausweisen und seine Zeugnisse von den Staatsprüfungen vorlegen. In keinem Reiche der Welt gilt Gelehrsamkeit so viel; freilich chinesische Gelehrsamkeit, ohne Geist und freie Bewegung, aber doch mit sehr vielen Kenntnissen und einer uugeheueru Literatur. Daher wimmelt es von Gelehrten („Bücherlesern"), mehr oder minder geschickten; denn was man bei uns unter Lesen und Schreiben versteht, das bedarf in der schweren chinesischen Schrift (mit Tusche und Pinsel), und in der besonderen Gelehrten- und Amtssprache, eiu gewaltiges Studium. Die Chinesen haben nämlich keine Lautschrift, sondern ein scharfsinnig aus- gedachtes System vou oft willkürlich gewählten Wortzeichen, denen 214 Wurzelzeichen zu Grunde liegen, für jedes Wort ein besonderes Zeichen (Zeichenschrift). Für den ge- wöhnlichen Bedarf reicht zwar die Kenntnis von 3000 Zeichen aus; aber, um die alten und neuen Bücher lesen zu können, muß man deren 33000 oder gar 80000 kennen! Zu- dem ist die Sprache selbst sehr schwer: sie ist eine einsilbige, uns kindisch lautende, in der die Aecente und Töne eine große Rolle spielen, mit vielen Dialekten, besonders im Süden des Jangtse. Neuu Stufen, durch Abzeichen kenntlich, steigen bis zur höchsten Würde der Kaiserlichen Akademie empor. Und wiewohl man den Ackerbau ehrt (der Kaiser pflügt ja selbst alljährlich den heil. Acker bei dem großen Tempel des Erfinders des Ackerbaus), so zeichnen sich die Gelehrten doch gern als arbeitslose durch lange Fingernägel aus. Die Religion, ursprünglich Ahnendienst, ist ein Götzendienst geworden; die meisten beten den Buddha (F o) au. Man hat Hansaltäre mit Götzenbildern, und verbrennt dem Fo oder andern Göttern, besonders aber den Geistern der Ahnen, Streifen von Gold- Papier und Weihrauch, opfert auch Früchte, Thee, und bei größeren Anlässen Geflügel oder ein Schwein, mit Feuerwerk. Eine Brenge Feste, aber kein Sonntag und keine Wochen (nur Mondsmonate). Übrigens verrichten.der Kaiser und die Staatsbeamten selbst Priesterdienste; dem höchsten Gott darf nur der Kaiser opfern, als Stellvertreter der Gottheit auf Erden. Und bei Dürre, Pest, Hungersnot, Krieg zc. fleht der Kaiser allein vor dem Volke in Sacktuch den Himmel an.
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