1884 -
Calw [u. a.]
: Verl. der Vereinsbuchh.
- Autor: Behr, Friedrich, Schwarz, Eduard, Frohnmeyer, Immanuel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
686 I. Die Nil-Länder.
halten will, den im S.-W. einmündenden Kagera (Alexandra-Nil) oder den von S.
kommenden Schimija, steht jedem frei. In kataraktenreichem Lanf eilt der Ausfluß
des Ukerewe (Viktoria-Nil) zu dem nur noch 643 m hoch gelegenen, etwa 85 Q.-M.,
4700 großen M w ntan (Luta Nzige, Albert Nyauza), den er nur an seinem nord-
östlichen Ende durchschneidet. Nach dem Austritt aus dem See fließt der breite, schiff-
bare Strom zunächst in geringem Gefäll bis Dufli 3lk 0 N. Br. Dann folgt eine
Reihe von Stromschnellen und kleinen Wasserfällen bis Lado (5 <> N. Br., 465 m), welche
lauge den Fortschritt der Entdeckungen ausgehalten haben. Von hier strömt der Nil,
der bisher von Gebirgslandschaften umgeben war, durch eine sumpfige Waldlaudschast
und unabsehbare Savanueu mit baumhohem Graswuchs. Schwimmende Wasserpflanzen
hindern auf der Strecke bis Chartum mitunter die Befahruug des Riesenstroms, dem
von W. her der Bahr el Arab oder Bahr el Ghafal die Gewässer eines dichten Fluß-
Uetzes zuführt, der letzte Zufluß der linken Seite. Von hier an heißt er Bahr el
Abi ad, der weiße Fluß. Seine Umgebung wird in Kordofan mehr und mehr zur
Steppe, die allmählich in die Wüste übergeht. Bei Chartum nimmt er den von den
Alpengebirgen Abessiniens und aus dem Tsaua-See herabkommenden klaren „blauen
Strom", Bahr el A s r a k oder A b a i auf, und weiter abwärts den A t b a r a, in seinem
Oberlauf Takasse genannt, ebenfalls von den abessinischen Gebirgen. Nun strömt
er, wie feilt anderer Fluß der Welt, ohne weiteren Zufluß, 300 M. lang, auf beiden
Seiten von Wüsten umgeben durch N u b i e u s Felsgebirge im engen Felsenthale mit
Stromschnellen und Katarakten, und nach deren Aufhören bei Afsuau in erweiterter Thal-
ebene durch Ägypten, und mit einem großen von Kanälen durchschnittenen Delta ins
Mittelmeer.
Seine Bedeutung als K u l t u r st r o m Ägyptens erhält der Nil durch die
Tegelmäßigen Überflutungen seines Thales, indem er dadurch dem regenlosen Wüsten-
lande den Regen ersetzt. Ober- und Mittelägypten nämlich kennen keine Regen,
immer strahlt in unveränderlichem blauen Glänze der Himmel herab, wolkenlos bei
Tage, wolkenlos bei Nacht. Aber im Süden strömen reichliche tropische Regengüsse
herab, die den Nil anschwellen.
Die Gebirgsregen Abessiniens, welche den blauen Nil und Atbara mächtig anschwellen,
scheinen die Hauptursacheu der Überschwemmungen zu sein. In einem großen Teil
des Jahres ist der blaue Nil nicht einmal ein zusammenhängender Fluß. Der Regen beginnt
im südlichen Abessinien schon Ende Februar, in Chartum im Mai; das Steigen des
Stromes erreicht Ägypten in Assuau Ende Jnni, Kairo und das Delta Anfangs Juli,
und währt drei Monate lang. (Die Kopten haben den Glauben, am Tage des Erzengels
Michael 17. Juni, sende dieser einen wunderbaren Tautropfen vom Himmel in den Nil
herab, der eine Gähruug im.flusse erzeuge.) Im August tritt er aus und die Dämme
werden geöffnet; Mitte September erreicht er den höchsten Stand, auf dem er sich 24 Tage
erhält. In den ersten Tagen des Oktober erreicht die Überschwemmung den Gipfelpunkt. In
die etwas höher gelegenen Thalgegenden hat man noch vom Alterthum her große Seen und
Kanäle gegraben und überall Bewässerungen angelegt, die durch Ochsen getrieben oder mit
Füßen getreten werden, Räder, Schöpfeimer, lederne Schläuche und Riemen. Jeden Abend be-
gibt sich die fröhliche Bevölkerung in Booten und Kähnen bekränzt, und mit bunten Flaggen
und seidenen Fahnen geziert, mit rauschender Musik auf das flutende Wasser, aus dem nur
Städte und Dörfer, Dattelpalmen und schmale Wegdämme hervorragen. Bei der Eröffnung
des Kanals in Kairo ist ein großes Fest, man wirft uuter großem Jubel allerlei Früchte in
den Strom, und Alles gibt sich den fröhlichsten Hoffnungen auf eine gesegnete Ernte hin.
Wenn der Fluß die rechte Höhe erreicht hat, etwa 7 m über dem niedrigsten Wasserstand, so
wird Alles überschwemmt (dann hat er neunmal mehr Wasser). Steigt er aber höher, so geht
es zu lange, bis die Saat bestellt werden kann; dann ist Jammer im Laude, man fürchtet
für die Ernte, wie auch wenn die Flut nicht hoch genug steigt. Nach der Höhe der Über-
schwemmuug gibt es also eine gute oder eine schlechte Ernte, und wird daher seit den ältesten
Zeiten die Höhe der Abgaben bestimmt. Deshalb wird das Steigen und Fallen sorg-
fältig von Staatsbeamten am uralten Regieruugs-Nilmefser beobachtet (aber wie man
sagt oft verfälscht). Ende Okt. geht der Strom wieder in sein Bett zurück. — Sobald