1884 -
Calw [u. a.]
: Verl. der Vereinsbuchh.
- Autor: Behr, Friedrich, Schwarz, Eduard, Frohnmeyer, Immanuel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Neger. 713
Hier sind nun die Neger zu Hause, das schwarze Menschengeschlecht, das wir uns
als das häßlichste denken, mit dem starken Knochenbau, mit wulstigen, hochausge-
worseuen Lippen, zurücktretender kugliger Stirne und vortretenden Kiefern, hervor-
stehenden Backenknochen, breiter platter Nase, langem schmalem Kopf, kurzem dichten
Wollhaar, schwarzer sammtartiger Haut; dabei stumpf und roh, daß man uuwill-
kürlich an Affen erinnert wird. Es gibt solche Neger. Aber es besteht unter ihnen
ein so großer Unterschied, als unter den Völkern Europas, man begegnet auch
Stämmen vom schönsten Wüchse, edler Gesichtsbildung, und von ungemeinen Geistes-
fähigkeiten, und die Fülle dieser Häßlichkeit besitzt wohl kein afrikanischer Stamm.
Für die Hautfarbe ist ein gemeinsames Merkmal nur die mehr oder weniger starke
Dunkeluug, die aber bald schmutzig bronzegelb, bald kupferrot, bald olivenfarbig,
bald braunrot, bald dunkelbraun, selten ebenholzschwarz erscheint. Die gewöhnlich
aufgeführten Merkmale sind so wenig allgemein zutreffend, daß Reisende geäußert
haben, sie können unter Negern „nicht den sogenannten Negertypus" wahrnehmen
und daß ein ausgezeichneter Beobachter die bekannte üble Hautausdünstung noch für
das sicherste Merkmal hält, obgleich er selbst hinzufügt, daß Reinlichkeit das Wider-
liche dieses Duftes ganz zu tilgen vermag. Doch lastet dichte Finsternis auf allen
diesen Völkern; die tiefste Stufe des Heidentums, die F e t i f ch a n b e t u n g, ist
herrschende Religion. Übrigens würde man den Negern Unrecht thnn, wenn man
glaubte, sie halten die Fetische für die Götter selbst. Sie sind ihnen Zaubermittel,
allerdings von einem Geist beseelt.
Irgend ein Ding, leblos oder lebendig, wird einem Priester zum Weihen übergeben
und nachdem seine Kraft erprobt worden, als Fetisch *) verehrt, d. h. der Geist, der da-
rin wohnt, und gilt nun für wirksames Zaubermittel, dem sogar die Elemente gehorchen
sollen. Es besteht nämlich eine ganze Geisterwelt zwischen Gott und den Menschen, vor
der die Neger immer voll Furcht sind. Denn die Mehrzahl dieser Geister oder Unter-
götter sind böse, und man muß sich gegen sie eben durch die Zauberzeichen, auch durch
Amulette, Opfer, schützen. So haben sie angestellte Regenmacher, Geisterbeschwörer n. s. f.,
die denn viele Geschenke und oft blutige Opfer fordern. Auch Tiere gelten vielfach als
von Geistern beseelt und als Gegenstände der Verehrung. Hier wird die Hyäne, dort der
Haifisch oder die Riesenschlange, das Krokodil, der Geier als Gott von Priesterhänden
gefüttert, und oft sind Menschen ihre Speise, das wohlgefällige Opfer dieser blutdürstigen
Götter. Übrigens liegt auch im Neger der Glaube an den Einen Gott, der Alles er-
schaffen. Ernennt Ihn oft, er sagt: „Gott regnet," er kann einem Andern zusprechen:
„Faß ein Herz! Gott ist der Höchste!" Er kann Ihm danken, aber es geht nicht tief;
zu seinem „Gottesdienst" ruft er die in den Dingen wohnenden Geister an.
Auch den Geistern der Abgeschiedenen werden bei großen Leichenfesten oder „Kostü-
men" Hunderte von Menschen geschlachtet, sogar unter Springen und Jubeln; man wirft
die Leichname aufs Feld oder bringt sie auf den Fetischbaum, dessen Stamm von Schä-
delhansen umringt ist. Beim wilden Mahle wird der von Europäern gebrachte Brannt-
wein aus den Schädeln der Erschlagenen getrunken und in einigen Gegenden sogar Men-
schenfleisch dazu verzehrt; es gibt Orte, wo solches auf dem Markte verkauft wird. So
wenig mau den Negern im allgemeinen Grausamkeit und Wildheit nachsagen kann, so
entsetzlich sind die Greuel, welche unter dem Bann des Aberglaubens und des Her-
kommens vorkommen.
Residenzen mächtiger Könige sind mit Mauern umgeben, die oben mit Menschen-
schädeln verziert sind, oder mit Pfählen, auf deren jedem ein Kops steckt. So besonders
die des Königs von Dahome, der in seinem Heere von 40000 Mann 10000 Weiber hat,
*) Vom portugiesischen feitiqo, Zauber. Manchmal sind es Götzenbilder, meist aber nur ein Knochen,
ein Fels, ein Dattelkern:c. Damit behängt man den Leib und die Wände, die Straßen, den Hauptplatz im
Dorfe, die Ufer 2c. Wenn aber das Ding nicht mehr thnn will, was man will, so wirft mans weg und wählt
etwas Anderes.