1884 -
Calw [u. a.]
: Verl. der Vereinsbuchh.
- Autor: Behr, Friedrich, Schwarz, Eduard, Frohnmeyer, Immanuel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Iv. Sudan.
die mordlustig und mit Flinten und Säbeln bewaffnet, den Kern desselben bilden. —
Die andere Welt stellen sie sich als der jetzigen ganz ähnlich vor; daher muß einem ge-
storbenen Vornehmen eine ganze Menge Menschen geopfert werden, damit er drüben mit
einem anständigen Gefolge von Sklaven und Frauen erscheinen könne. Am Grabe eines
Königs werden Hunderte getötet; ja Monate lang währt das Morden, und jede Jahres-
feier fordert neue Opfer. In Knmafe ist ein Platz, der von Menschenblut nicht trocken
werden durfte.
§ 572. Weiter weiß man hier nichts von Dienstboten, nur von Sklaven;
die Sklaverei ist der andere Fluch Afrikas, der die Neger an Greuel und
Schauderszenen gewöhnt hat. Häuptlinge und Könige brauchen von Zeit zu Zeit
Sklaven. So überfallen sie denn ein Nachbargebiet, oder rauben sie ihre eigenen
Unterthanen. Plötzlich sieht ein Dorf sich umringt, mitten in der Nacht ertönt das
Kriegsgeschrei, Feuerbrände fliegen in die friedlichen Wohnungen, die geängsteten
Bewohner fliehen heraus, die Starken werden niedergemetzelt, die Alten und Kranken
wie die Kindlein müssen ohnedies sterben, weil man sie nicht kauft, aber Söhne,
Weiber und Töchter ergreift der erbarmungslose Feind und schleppt sie fort. Sklaven
sind auch die leichteste Münze, da man sie nicht zu tragen braucht. Mit ihnen
zahlt man also den Karawanenhändler, mit ihnen den Schiffsherrn. Sklaverei und
Sklavenhandel bestand in Westafrika allerdings, ehe die portugiesischen Entdeckungen
dazu führten, aus dem Sklavenhandel ein System zu machen. Seither haben die
Europäer dem Neger ein Bedürfnis nach Feuergewehr und Schießpulver, Rum,
Tabak und Putzwaren beigebracht, das nur durch Sklaven befriedigt werden konnte
und dem Menschenraub eine ungeheure Ausdehnung gab.
Zwanzigtausend Sklaven brachte der König von A s a n t e aus einem Kriege mit,
2000 mußten, weil sie schwächlich waren, als Opfer bluten, noch Andere ließ er töten,
weil er sie nicht füttern konnte, 10000 bot er zum Verkauf aus. — Um eine Schuld an
einen französischen Schiffer zu bezahlen, mordete ein Häuptling bei Liberia ein ruhiges,
fleißiges Völklein, und zahlte mit den Kindern seinen Posten. — Der Sklavenhändler
schickte auch selber Bewaffnete aus, die Dörfer überfallen und die Einwohner herbeischaffen
mnßten. Die Armen suchten sich oft unterwegs umzubringen, weil sie glaubten, die
„weißen Teufel" nehmen sie bloß, um sie zu verzehren. Mit der eigenen Zunge erstickten
sie sich, andere hungerten sich aus. Der größte Jammer wartete ihrer an der Küste.
Häufig ward ein Teil vom Käufer als unbrauchbar ausgeschossen und tot geschlagen,
oder ließ sie der Händler Hungers sterben. Auf jede Klage gab die schreckliche Riemen-
peitsche die Antwort. — Beim Verkauf wurden immer die Familien zerrissen. Hatte
dann der Kapitän seine Ladung „Ebenholz", so wurden sie fast wie Heringe verpackt,
daß Keiner aufrecht sitzen konnte. Eiligst segelte das Schiff fort, um den englischen
Kreuzern zu entfliehen. Ward es von einem solchen erjagt, so konnte man die Sklaven
über Bord werfen, um doch das Schiff davon zu bringen. Brachte es aber auch nur
die Hälfte nach Kuba, fo hatte es dennoch ein „gutes Geschäft" gemacht. Es hat den
Kopf vielleicht mit 50 bis 80 Mark bezahlt, und verkaufte ihn in Amerika für 1600 und
mehr. Selbst wenn von drei Schiffen nur eines in Amerika ankam, lohnte sich der Handel.
Jetzt kann dieser Handel auf der Westküste als erloschen gelten. Dagegen im Osten
und in Zentralafrika bleibt trotz der Bemühungen der Engländer viel zu thuu.
Für das Familienleben ist die Vielweiberei charakteristisch: nur der
Arme begnügt sich mit einer Frau. Das Weib wird gekauft und von den
Eltern verkauft (daher man sich der Geburt einer Tochter freut). — Die Neger-
reiche sind meist klein und die Macht der Könige ist oft durch eine Art Aristo-
kratie, durch die Priester und das Herkommen beschränkt. In manchen Reichen,
wie Asante und Dahome, herrscht ein empörender, blutdürstiger Despotismus. Die
Königswürde ist erblich, geht aber häufig auf den Schwestersohn über. Schuld wie