1884 -
Calw [u. a.]
: Verl. der Vereinsbuchh.
- Autor: Behr, Friedrich, Schwarz, Eduard, Frohnmeyer, Immanuel
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Mexikaner.
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dort Spezereien und andere kostbare chinesische und ostindische Waren, und führte dagegen
Silber und Gold dahin; und den Handel mit Europa besorgten bis 1778 von der Regie-
rnng privilegierte Kauffahrer, die alle vier Jahre ein Mal (!) von Sevilla und Eadix
nach Vera Cruz segelten. Aber auch nach dem Sieg der freisinnigen Ideen gab es wohl
ehrsüchtige Parteistifter in Menge, welche Revolution auf Revolution anzettelten (man zählt
deren bis jetzt 240), um sich und die Ihrigen zu bereichern, aber die monarchischen
Gewohnheiten, spanische Glanzsucht in Luxus und Spiel, blieben die alten. Und heute
noch kann sich der gebietende Teil der Nation nicht davon trennen. Auf der einen Seite
stehen Sonveränetät des Volks und Gleichheit der Rechte, auf der andern mittelalterliche
Grundsätze und religiöse Unduldsamkeit. Der Priesterstand und das Militär sind dem
Aufkommen der Nation am meisten hinderlich: die Hierarchie durch bloßes Zeremonien-
Wesen und Aberglauben, früher auch durch ungeheure Reichtümer; das Militär durch seine
Dienstbarkeit unter die ehrgeizigen, eigennützigen Generale, die sich ohne Aufhören be-
kämpfen, und durch Räuberleben im großen. Napoleon Iii. suchte durch den Erzherzog
Maximilian eine Monarchie zu gründen (1863—67), aber von den Drohungen der Union
eingeschüchtert, ließ er Maximilian im Stich, der nach tapferer Gegenwehr dem Zapoteken
Juarez, einem Vollblutindianer, unterlag und erschossen wurde. Juarez führte Volks-
Unterricht ein. Seither ward die Macht des Klerus beschränkt und evangelische Gemeinden
konnten da und dort gesammelt werden.
Die Bevölkerung Mexikos, zus. ca. 9 J/2 Mill., lebt größernteils auf dem
Hochlande von Auahuac, und ist aus vier Bestandteilen zusammengesetzt: die Aristo-
kratie des Landes bilden die Weißen spanischer Abkunft, die Kreolen; sie haben
einst die Revolution gemacht, sind aber nun als Zentralsten Vertreter der Reak-
tion, und zählen 1 Mill. Köpfe. Ihnen zunächst stehen die Mischlinge, etwa
4 Mill., die ebenfalls für weiß gelten wollen, obgleich man das indianische Blut
auf den ersten Blick erkennt. Sie teilen den Haß gegen die Fremden, sind arbeits-
scheu und verschwenderisch, werden gerne Offiziere, Beamte oder Advokaten und sind
meist Föderalisten, daher, wenn die Zentralsten am Ruder sind, unaufhörliche Revo-
lutionäre. Die verachtetste Klasse der Mischlinge mit vielem Indianer- und wenig
Spanierblut, meist nur dem Spiel und dem Trunk ergeben*), besteht aus dem Gesindel in
den Städten und den Räubern auf dem Lande, samt dem größten Teile des Heeres und
vielen Dienstboten. In den Städten nennt man sie nur den „Aussatz" der Bevölkerung,
die L e p e r o s, von ihren durch Uusauberkeit und Laster erzeugten Hautkrankheiten.
In der Hauptstadt allein zählen sie 30 000 Köpfe. — Beinahe die Hälfte des
Volkes besteht aus reinen Indianern. Ruhige, stille, schweigsame Menschen
mit einem Zuge von Schwermut, sind sie das von der Urrasse noch übrig gebliebene
dienende Geschlecht, nachdem die Spanier die edlere gebildete Klasse ausgerottet
haben. Sie heißen Indianos fideles, gläubige, und zerfallen in viele Stämme mit
den verschiedensten Idiomen. Von Tausend können kaum zwei lesen. Ihre Zahl
mag über 4 Mill. betragen. Im N. streifen noch ca. 100 000 wilde Indianer
umher (Indianos bravos), Comantschen und Apatschen. — Auch gibt es an der
Küste Neger, ca. 6000, jedoch nicht als Sklaven. 3u der Bevölkerung ist
Proletariat.
Unter der geringen Zahl der Einwanderer aus Europa nehmen die erste
Stelle die Spanier ein, sofern sie die arbeitsamsten Einwohner sind, auch den Zwischen-
Handel zwischen dem Volke und den fremden Kaufleuten (vielen deutschen) betreiben.
*) Zuckerbranntwein (chingarito) ist ihr Hauptlabsal. Sonst ist das einheimische Getränke Aloewein
(pulque, S. 796). Hauptnahrungsmittel sind dünne Maiskuchen, die jeden Tag frisch gebacken werden (tortillas);
auf Reisen getrocknetes Rindfleisch mit etlichen Schoten spanischen Pfeffers; auch saugen die Leute Zuckerrohr-
stengel aus. Mais wird auch den Tieren gefüttert. — Gerechnet wird nach Pesos (Piaster, Dollar); sie haben
8 Realen (ä 50 Pf. Kurswert).