1879 -
Grimma
: Gensel
- Autor: Oberländer, Hermann
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
— 26 —
und dieser Eindruck auf sie zeigt eigentlich die Stärke und Schwäche
unsres Geistes, und wieviel Macht uns der Schöpfer zugelassen habe".
2) Das ganze Zeitalter, in dem Ritter als Reformator der Erd-
künde auftrat, war dazu angethan, die Geographie von ihren bisherigen
Irrwegen zu erlösen und auf bessere Bahnen hinzuweisen. *) Es waren die
Tage der Napoleonischen Zeit, welche ihren Einfluß auch auf die politische
Gestaltung Deutschlands so gewaltig geltend machten. Wohl niemals haben
sich die staatlichen Verhältnisse in kurzer Zeit so schnell und so vielfach geän-
dert, als in der Periode der Weltherrschaft Napoleon's. Eine Menge
Staaten gingen unter, und neue traten an ihre Stelle; andere wurden in
ihrem Besitzthum entweder geschmälert oder vergrößert. Das deutsche Reich,
das vor der Napoleonischen Zeit aus mehr als 300 größeren und kleineren
Staaten bestand, löste sich auf; es wurde säcnlarisirt und mediatisirt, die
Rheinbundstaaten traten in's Leben — kurz, „der bunte politische Rock, in
den die Welt hineingeschneidert ward", wandelte sich so rasch und gewaltsam,
wie noch nie. Das war natürlich eine saure Zeit sür Geographen und
Kartographen, sowohl für die Lehrer der Geographie, als auch für die
Schüler, und letzteren „wurde wohl manchmal von alle dem so dumm, als
ging ihnen ein Mühlrad im Kopfe herum". Wie kounte es anders kommen,
als daß mau gerade zu dieser Zeit das Unfruchtbare eines erdkundlichen
Unterrichtes erkennen mußte, der die in immerwährendem Wechsel begriffeneu
staatlich-politischen Verhältnisse in den Vordergrund stellte! Mußte nicht in
der pädagogischen Welt das Verlangen nach einer Berücksichtigung des bei
allem Wechsel Beharrlichen in der Erdkunde, die Sehnsucht uach eiuer Dar-
stelluug der natürlichen, bleibenden Erdverhältnisse entstehen! Diesem berech-
tigten Verlangen wurde uuu vou der neuen Schule Genüge geleistet, und
an der Spitze derselben steht als ihr Begründer Karl Ritter.
a. Karl Ritter, geb. 1779 zu Quedlinburg, wurde erzogen und
unterrichtet vou Guts Muths, der als Hauslehrer in Ritter's Familie zu
Quedlinburg fuugirte, der aber auch, nachdem Ritter's Vater frühzeitig
gestorben war, zum geistigen Vater des großen Geographen ward und auch
dann uoch einen bedeutenden pädagogischen Einfluß auf Ritter ausübte, als
letzterer in das Salzmann'sche Philanthropin zu Schnepfenthal „als die
erste Schnepfe des lieblichen Thüringer Thales" unentgeltlich aufgenommen
worden war. Guts Muths wirkte in Schnepfenthal als Lehrer der Geo-
graphie und war auch als geographischer Schriftsteller thätia. Es läßt sich
denken, daß derselbe in seinem Zöglinge Ritter frühzeitig das Interesse für
Erdkunde geweckt haben mag. Während Salzmann dem jungen Ritter das
nöthige Maß von Geisteskräften absprach und ihn zum Studiren für unfähig
erklärte, that Guts Muths einmal die scherzhafte Aenßernng, der Knabe
Karl drohe dermaleinst als Professor der Geographie fürchterlich zu werden.
Und so wurde es, trotzdem daß Ritter in den alten Sprachen es nie zu
etwas Ersprießlichem gebracht hat. Währeud seines Studiums in Halle
begeisterte sich Ritter als „auskeimender Geograph" an Sprengel's Volesungeu
über Statistik. Von 1798 an fungirte Ritter als Hofmeister im Bethmann-
Hollweg'fchen Hanfe zu Frankfurt a. M. Von hier aus unternahm er
1806 mit seinen Zöglingen seine erste Schweizerreise, auf welcher er
Pestalozzi keuueu lernte, und welche — obgleich die ersten Alpenreisen
1) Daniel, I, 25.