1879 -
Grimma
: Gensel
- Autor: Oberländer, Hermann
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Wir heben aus den Vorlesungen über „Allgemeine Erdkunde" folgenden
Passus hervor: „ In Beziehung auf ihre vernunftbegabten Bewohner ist
die Erde nicht nur der Boden, die Wiege, der Wohnort, fondern auch das
Erziehungshaus, die große Erziehuugsanstalt des Menschengeschlechts. Dies
geht für deu Forscher aus der Geschichte der Menschheit auf das entfchie-
denste hervor. Für die Erde als Planet eröffnet sich außer dem Natur-
dasein hierdurch aber eine weit höhere Bestimmung: ihr Einfluß auf die
geistige Welt. Diese ethische, d. h. sittliche Bestimmung zeichnet den Erd-
körper charakteristisch aus vor allen andern uns bekannten Körpern der söge-
nannten uuorganisirten und der organischen Naturen. Nur der Mensch
hat noch den Vorzug seiner ethischen (sittlichen) Bestimmung, die wir bei
Thier und Pflanze vermissen oder doch nicht nachweisen können. Nur dem
menschlichen Körper, der Menschengestalt, ist also noch derselbe analoge
ethische Charakter mit der Erde gemeinsam. Aber jedesmal nur für ein
Individuum und ein menschliches Lebensalter; der Erde aber, die immer
Jahrtausende fortbesteht, dauert die ethische Bestimmung auch sür alle Judi-
vidueu auf ihr und für alle Lebensalter der Völker fort — bis auch dereinst
die Erde selbst das Ende ihres Daseins und ihr uns unbekanntes Ziel erreicht
haben wird! Einer solchen höheren Bestimmung gemäß mußte die Erde
von ihrem Entstehen und Werden an auch eingerichtet, also höher organisirt
sein.--Die Erforschung der Verhältnisse diefer höheren Organisation,
ihrer Gesetze und Erscheinungen, muß natürlich einen wesentlichen Theil
unserer geographischen Wissenschaft ausmachen.--Wie jeder Mensch
in seinen Lebensperioden die zeitlich verschiedenen Stusenalter der Weltge-
schichte durchlaufen muß als Kind, Jüngling, Mann und Greis, so ist Jeder
im Räumlichen und Leiblichen auch der Spiegel seiner Erdloealität. Der
Bewohner des Nordens und Südens, des Orients und des Oecideuts, der
Aelpler von seinem Berglande Tyrol's, der Bataver von seinem Tiefboden
Hollands: jeder Mensch ist der Repräsentant seiner natürlichen Heimath,
die ihn geboren und erzogen hat. In den Völkern spiegelt sich ihr Vaterland
ab. Die örtlichen Einwirkungen der Landschaften auf die Charakteristik
ihrer Bewohner, bis auf Gestalt und Körperbau, Schädelbildung, Farbe,
Temperament, Sprache und geistige Entwickelung sind unverkennbar. Daher
die unendliche Mannichsaltigkeit in den Erscheinungen, wie in den Bildungen
und Charakteren, so auch in den Bestrebungen der Völker." ^)
3. Karl Ritter ist als derjenige anzusehen, welcher die oben ange-
deuteten beiden Hauptfehler der früheren geographischen Methode beseitigte
und somit der Schöpfer einer neuen geographischen Schule wurde.
In allen seinen Schriften fncht er dem physischen Momente zu dem
ihm gebührenden Rechte zu verhelfen, überall stellt er dasselbe
als Basis alles erdkundlichen Unterrichtes hin, und stets weist
er den organischen Zusammenhang und die innere Wechsel-
beziehnng der verschiedenen geographischen Elemente der Erd-
räume nach, iusbesoudre den Einfluß der Erde auf ihre Be-
wohner, die Bedeutung uusres Planeten als eines großen
Erziehungshauses für das Menschengeschlecht.
a. Jedoch ist neben Ritter auch Alexander von Humbllldt (geb.
1769, f 1859) als Mitbegründer der neueren Erdkunde zu nennen. Er
1) Ritter, Allgemeine Erdkunde 12 —15.