1912 -
Leipzig
: Wunderlich
- Autor: ,
- Hrsg.: Weigeldt, Paul
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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der Niederlande, ferner die Mainfranken samt den wesentlich fränkischen
Pfälzern, die Schwaben und die Bayern.
Aber es ist eine bisher zu wenig beachtete Tatsache, daß die ftaat-
liche Weiterentwicklung sich nicht im Rahmen dieser Stammesgebiete
vollzogen hat, sondern je länger je mehr hierbei Leitmotive zutage traten,
die dem Zusammenwohnen in physisch geschlossenen Verkehrsprovinzen
erwuchsen. Das geographische Moment erwies sich mithin machtvoller
als die Stämmegliederung. Das Stammland der Sachsen blieb zwar
bis zum territorialen Zerfall des spätmittelalterlichen Deutschlands über-
Haupt noch längere Zeit eine politische Einheit, befaßte es doch bis auf
den ins Rheinische Schiefergebirge reichenden Südzipfel, den heutigen
Regierungsbezirk Arnsberg, das gut geeinte Stück Tiefebene von Hol-
stein bis gegen den Niederrhein. Ihm schlössen sich die wahlverwandten
ostelbischen Slawenlande zum guten Teil an, die durch ihr Plattdeutsch
noch zur Stunde die Macht der niedersächsischen Kolonisation verkünden.
Auch Hessen und Thüringen gaben in der so ungeographischen, meist
rein dynastisch bedingten Herausschälung kleiner und kleinster Sonder-
gebiete ihre Landeseinheit noch einigermaßen zu erkennen. Indessen der
im Bodenbau gar nicht wurzelnde Grenzzug des lothringischen Herzog-
tums verschwand gar bald, auch die Pfalz schied sich von Mainfranken,
das Schwabenland zertrennte sich in seine geographischen Elemente, die
fast ausschließlich von den Bayern besiedelten deutsch-österreichischen
Lande, die dämm ursprünglich nur Marken unter der Oberhoheit des
bayrischen Stammesherzogtums ausmachten, verselbständigten sich als
alpine Wohnräume dieses Stammes, nur durch den Donaustrom ver-
knüpft mit dem nunmehr auf das Alpenvorland nebst den ihm durch
Isar und Itter angeschlossenen Randgliedern der nördlichen Kalkalpen
beschränkten Herzogtum, dem fortan allein der Bayernname verblieb.
Die Entfaltung des mitteleuropäischen Staatensystems unserer
Tage hat gar nichts gemein mit der Grenzabsonderung der Teilstämme
unserer Nation. Bruchstückweise sind letztere an die fünf Staaten auf-
geteilt. In den Niederlanden, Flämisch-Belgien und Luxemburg wohnen
außer den friesischen Strandleuten Niedersachsen und Franken, in der
Schweiz mit Romanen unter einem Dach Schwaben, in Österreich mit
Slawen in friedloser Ehe Bayern. Nur die innerdeutschen Stämme
der Thüringer und Hessen sind dem im neuen Deutschland zusammen-
gefaßten Hauptrest Mitteleuropas ganz treu geblieben. Unser heutiges
Deutsches Reich ist der Inbegriff sämtlicher Stämme unserer Nation,
soweit sie nicht ausgerankt sind in die peripherisch abgegliederten mittel-
europäischen Staaten oder hinausgezogen nach Großbritannien, Sieben-
bürgen, Rußland und in transozeanische Fernen.
Wohl haben einstmals Stammesinteressen der politischen Einung
unseres Volkes widerstrebt, als es noch keine mitteleuropäische Pentarchie
gab. Der Sachsenstamm trägt noch immer seinen Widukind im Herzen,
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