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1. Lektüre zur Erdkunde - S. 176

1912 - Leipzig : Wunderlich
— 176 — haben die Länder Westeuropas immer weitere Fortschritte in ihrer Individualisierung gemacht. Ihr politischer und religiöser Zustand, ihre ganze Kultur waren am Ende des Mittelalters einförmiger als heute. Bei Rußland trifft gerade das Gegenteil zu. Die Russen haben mit Erfolg die Russifizierung der anderen Völker Osteuropas, ihre Ver- einigung in einer Sprache, einer Sitte, einer Religion in Angriff ge- nommen. Wer heute die Grenzen Rußlands überschreitet, tritt in eine fremde Welt, er fühlt sich nicht mehr in Europa, sondern in Halb-Asien. Er verläßt ein Ländergebiet, dessen Geschichte seit mehr als zwei Jahr- taufenden die Geschichte der menschlichen Gesittung ist und tritt in ein neues ein, das an diese Kulturentwickelung sich noch jetzt erst teilweise angeschlossen hat. Rußland gehört erst seit weniger als zwei Jahr- Hunderten zur europäischen Staatenfamilie und nimmt in ihr noch heute eine sehr abgesonderte Stellung ein. Mit Asien, dessen Herrschaft es erstrebt, steht es entschieden in innigerem Zusammenhange als mit Europa, von welchem es sich durch eine unserem Wirtschaftsleben feind- liche Zollgrenze abschließt. Überschauen wir endlich — um wenigstens den wichtigsten Punkt des Gegensatzes im Kulturstand herauszuheben — die Arbeitsleistung des Menschen im Osten und im Westen dieser Zollgrenze, so finden wir im Westen die Arbeit des Menschen intensiver und fruchtbarer als die der Natur, während an den Erzeugnissen des russischen Reiches die Naturkraft in weit höherem Grade beteiligt ist als die des Menschen. Im Westen Europas ist der Mensch schon ziemlich vollkommen Herr des Bodens, dm er in dichter Zahl bevölkert. Im Osten ist die Natur noch mächtiger. Die spärlicher verteilte Bevölkerung hat noch lange nicht alle die jungfräulichen Schätze des Bodens in Ausbeute genommen. Westeuropa scheint bereits dem Höhepunkt der Leistungskraft, deren es fähig ist, nahe zu sein. Die Entwicklung des jugendlichen Osten dagegen gehört zum großen Teil erst der Zukunft an. So zerfällt unser Erdteil in den verschiedensten Beziehungen in eine reich entwickelte westliche und eine viel einförmigere, noch unvollkommen entwickelte östliche Hälfte. Die Grenzlinie, welche beide scheidet, ist die bedeutungsvollste, welche man innerhalb unseres Kontinentes ziehen kann. An dieser Grenzlinie liegt Schlesien, eine Ostmark des echten Europas gegen Halb-Asien. Es ist Schlesiens welthistorischer Beruf, bald der friedliche Vermittler, bald der Kampfplatz und Kampfpreis der großen Gegen- sätze zu sein, welche in ihm sich berühren. Doch wie Einschlag und Kette in einem Gewebe, so kreuzt sich in Schlesiens Entwickelung mit diesem Berufe ein zweiter. Schlesien liegt an einer besonders wichtigen Stelle der Grenzlinie zwischen Ost- und Westeuropa, an dem Schnittpunkt dieser Grenzlinie mit einer anderen, welche die nördliche und südliche Hälfte Deutschlands scheidet. Eine Reihenfolge ansehnlicher Gebirge, die man häufig unter
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