1914 -
Heidelberg
: Winter
- Autor: Muckle, Philipp
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Baden
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Baden
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Geschichte der Besiedlung. 19
sie mit immer größerer Gewalt gegen die Grenze heran, bis diese nach
heftigen Kämpfen im 3. Jahrhundert endgültig überschritten wurde.
Das wohlangebaute Deknmatenland fiel wiederum in die Hände eines
halbwilden, aber eines zugleich begabten und fähigen Volkes, der Ale-
mannen, die den römischen Widerstand vollständig zu brechen wußten.
Die Alemannen haben unser Land für immer dem Deutschtum gewonnen.
Aber die Alemannen konnten sich des Besitzes des neu erworbenen
Landes nicht allzulange freuen. Nördlich von ihnen hatten sich am Mittel-
und Niederrhein die Franken festgesetzt, die noch weiteres Land zu ge-
Winnen suchten und deshalb nach 8 drängten. In der Schlacht bei Zül-
pich (?) 496 wurden die Alemannen durch den Frankenkönig Chlodwig
besiegt und gezwungen, ihren Landbesitz im N bis an die Murg und
Oos an die Franken abzutreten.
So war unser Land in den Besitz zweier mächtiger deutschen Stämme
gekommen, die ihren alten Gegensatz allmählich vergaßen und sich in fried-
licher Entwicklung mit anderen deutschen Stämmen zu einen: starken
und tüchtigen Volke vereinigten.
Zur Zeit, als unsere Vorfahren sich im heutigen Baden festsetzten, waren die-
selben hauptsächlich Viehzüchter (Rinderzucht). Auch trieben sie eine rohe Form des
Ackerbaus, indem sie den Boden oberflächlich aufkratzten und darauf den Samen
streuten. Als neue Getreideart brachten die Alemannen den Spelz (Dinkel) mit, noch
heute die Hauptbrotfrucht im alemannischen Süden und in Württemberg. In Handwerks-
künsteu waren unsere Vorfahren nicht ungeschickt, sie verstanden die Schmiedekunst
(Jung Siegfried!), die Töpferei und das Spinnen und Weben des Leins.
Ihre Hütten bauten sie aus Holz. Die Steinhäuser der Römer sahen sie wie
Grabeshöhlen an, meist zerstörten sie dieselben bis ans den Gruud (zahlreiche Reste
römischer Bauten in nnserm Land, aber kein Bau mehr ganz). Doch siedelten sie sich
gerne in der Nähe römischer Orte an. Fanden sie hier ja Trinkwasser, Weidefeld für
ihr Vieh, gepflegtes Ackerfeld, gelichtete Wälder und bequeme Wege.
Die Verteilung des Landes erfolgte nach Hundertschaften und innerhalb
derselben uach Sippen*. Ortsnamen auf „iugen" weisen auf solche Sippennieder-
lassungen hin z. B. Ettlingen = Ort der Ettling er d. h. der Sippe des Etini, Schwetzingen
(Svezzo), Kenzingen (Kenzo), Säckingen (Seceo), Villingen (Filo).
Mit der Vermehrung des Volkes mußten in den folgenden Jahrhunderten immer
wieder neue Siedlungen gegründet werden. Die Namengebnng wurde aber eine
andere. Sehr häufig erhielt der neue Ort den Namen des Gründers mit angehängtem
-heim, zum Zeichen, daß jener nun hier sein Heim aufgeschlagen habe. Beispiele:
Mannheim (Heim des Mauuo), Weinheim (Wino), Müllheim (Mnlo). Ähnlichen Ur-
sprnngs sind Namen auf -dorf^, -hausen, Hofen, -stadt, auch -ruhe (Karlsruhe).
Öfters ergab sich die Notwendigkeit durch Roden des Waldes neues Kulturland
zu gewinnen3. Darauf weisen besonders Namen auf -hart (Wald!), -holz, -buchen,
-rod, -reut, -brand u. a. hin.
Ad elige Herren bauten später ihre Burgen nach dem Vorbild römischer Kastelle
auf Berge und Bergvorsprünge, während das Gefolge sich am Fuße ansiedelte. Orts-
namen auf -bürg, -berg, -stein, -fels, -eck deuten solche Entstehung an z. B. Offenburg
(Burg des Offo), Freiburg (Burg der Freiheiten), Heidelberg (eigentlich Heidenberg
d. h. Berg mit Heidekraut, gekürzt: Heiden).
1 Eine Sippe bestand aus einer Anzahl Männer und Frauen, die unter einem
Altesten, nach dem die Sippe ihren Namen hatte, wie eine große Familie beisammen
lebten. Erst später ging daraus die Familie mit einem Mann und einer Frau hervor.
2 Dorf vom lat. turba, der Haufen.
3 An diese „Kulturarbeiten" erinnert eine Stelle in einem Schillerschen Gedichte:
„Und hatten manchen sauren Tag, den Wald
Mit weit verschlungenen Wurzeln auszuroden."
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