1914 -
Braunschweig [u.a.]
: Wollermann
- Autor: Hecke, Gustav, Bosse, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Braunschweig
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde, Braunschweig
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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Die Gegenden an der Leine.
3. Die vom Eichsfelde kommende Leine fließt in einem n. verlau-
fenden Tale, ö. begleitet vom Göttinger Walde, an der Universitätsstadt
Göttingen (35 000 E.) vorbei. Ihr Tal erweiternd, erhält sie von rechts
die Rhume mit der Stadt Northeim (8500 E.) und von links die Jlme
mit Einbeck (9500 E.), dem alten, durch sein Bier und seine Leinwand
berühmten Orte. Nahe der Mündung der Jlme tritt die Leine ins Braun-
schweigische. Zu einer weiteren Bucht sehen wir das Leinetal ausgedehnt an
der Stelle, wo dem Flusse von O. die Flüßchen Aue und Gande zufließen.
Die Gande entspringt am nw. Abhang des Hebers und fließt zunächst s.,
von Gandersheim ab w. und zuletzt nochmals s., um bei Kreiensen zu
münden.
Die Stadt Ganvevsheim (2800 E.) liegt anmutig in einem Tale,
das fast allseitig von teilweise bewaldeten Bergen umhegt ist. Unter diesen
treten im N. der Klusberg (237 m, benannt nach der Klause eines frommen
Einsiedlers Walung) und der Osterberg (262 in, nach der altdeutschen Früh-
lingsgöttin Ostara benannt), im S. der Äbtissinberg (277 m) und der Kühler
(316 in) hervor. Schon der erste Sachsenherzog Ludolf, der in dieser Gegend
begütert war und in der Nähe einen Burgsitz (Nord-Ludolfshausen) hatte,
stiftete nebst seiner Gattin Oda 842 am Nw.-Fuß des Osterberges das
Kloster Brunshausen, das erste Benediktiner-Nonnenkloster Norddeutschlands.
Da dies Kloster jedoch bald nicht mehr ausreichte, so wurde schon 856 ein
neues angelegt und zwar der Sage nach da, wo Ludolfs Hirten Lichter aus
dem Boden hatten aufsteigen sehen. In dies „Ludolfsstift", das den heilig
gesprochenen Päpsten Anastasius und Innozenz gewidmet war, wurden nur
adelige Jungfrauen ausgenommen, und als Äbtissin wurde stets eine Reichs-
fürstin gewählt, anfangs aus dem Geschlecht der Ludolfinger und der Sachsen-
kaiser, später besonders aus dem welfischen Fürstenhause. Etwa hundert
Jahre später gründete die Äbtissin Gerberg Ii. das sö. gelegene Marien-
kloster. Um dieselbe Zeit (950) lebte die berühmteste Gandersheimer Nonne,
Hroswitha, die erste bekannte deutsche Dichterin. Sie besang in lateinischer
Sprache die Gründung Gandersheims sowie die Taten Kaiser Ottos I. und
dichtete außerdem sechs lateinische Schauspiele. Ein viertes Kloster, Klus
genannt, wurde 1124 von der Äbtissin Adelheid auf dem gleichnamigen
Berge erbaut. — Um das Ludolfsstift fiedelten sich früh Ackerbauer, Hand-
werker und Kaufleute an, und so entstand die Stadt Gandersheim, ebenso an
ihrer W.-Ecke neben dem Marienklvster das „Neue Dorf". Die Aufgabe,
das Stift zu schützen, lag zuerst den Ludolfinger Herzögen, dann den Winzen-
burger Grafen, weiterhin (seit 1152) den welfischen Herzögen ob. Zu diesem
Zweck hatte in Gandersheim ein herzoglicher Bogt seinen Sitz; im 15. Jahr-
hundert wurde daselbst eine Burg, im 16. durch Heinrich den Jüngern das
noch jetzt vorhandene Schloß angelegt (1530). Etwas früher (1501) hatte
dessen Vater Heinrich der Ältere an der Südseite der Stadt ein fünftes
Kloster, das der Barfüßer (Franziskaner), gegründet. Im Kreuzgange war
ein Gemälde zu sehen, das einen „Totentanz" darstellte.