1908 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Itschner, Hermann
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
®b man auf der Halbinsel nicht mehr Wein produzieren könnte. 107
Hilfe, wenn diese die Erde spalten, die Häuser stürzen, die mächtigen Mauern
und Pfeiler der Kathedralen auseinanderbeugen, wenn sie die Menschen
mitten im Schlummer, bei der Hrbeit auf dem Felde, beim Gebet in der
Kirche im Nu begraben, ist ja doch eine eitle, ewig vergebliche! wozu
also die Ursachen solcher verderben untersuchen, wenn ihre Wirkungen nach
wie vor dieselben bleiben? Die Vernunft scheut vor dem Unbegreiflichen
und Schrecklichen der Natur, und die Phantasie wird davon in allen Aber-
glauben gejagt." wo aber Müßiggang, Unwissenheit und Aberglaube ein
Volk beherrschen, da ist der Niedergang unausbleiblich.
Freilich hat das Land auch andere Zeiten gesehen: unter den Mauren!
Sch.: wir hörten schon, daß es damals dreimal so viel Volk hatte. — Fast
alle die großen Bewässerungsanlagen entstammen jener Zeit! Sch.: Da
haben also die Eroberer seitdem nichts mehr getan. — was war damals
Toledo! Zweihunderttausend Menschen hausten damals in seinen Mauern,
heute kaum zwanzigtausend, es ist „eine entthronte Königin". Einst hatte es
„drei Kronen getragen, die römische, die gotische und die maurische". Nicht
minder gefeiert war Eordova, einst eine Millionenstadt, auf die „die Augen
der ganzen damaligen kaufmännischen und gelehrten Welt jahrhundertelang
gerichtet waren". Vasselbe Schicksal teilen Sevilla und Granada, dessen einst
so mächtige Burg, die Alhambra, die 60 000 Mann Besatzung gefaßt hat,
heute noch in ihren Ruinen die alte Herrlichkeit maurischer Bauweise — ich
brauche euch ja nur an die „Klause" zu erinnern — zeigt, während einem
die Stadt erscheint wie „zahllose Grabsteine". Bei solchem Anblick muß
man doch fragen, was die Christen als Herren der Halbinsel denn eigentlich
getan haben! Und derselbe Kenner des Landes ruft aus: „Ihre Größe
bestand darin, daß sie mit Gott, für König und Vaterland, und für die
heilige Jungfrau noch im besondern, die ungläubigen Kraber in hundert
Schlachten besiegten, die wilden in Amerika überfielen, auf dem eroberten
Boden in zwei Welten stolze Kirchen bauten, sie mit unsäglicher Pracht
ausschmückten, und dann genug für die Welt getan zu haben meinten. Sie
haben nun das vollsaftige Leben der Besiegten aufgezehrt und ausgesogen,
und seitdem sie damit fertig sind, hoffen sie träge auf ein Wunder des
Himmels, um wieder eine große Nolle in der Welt spielen zu können."
Zum Unglück für sie fiel in die Zeit, wo die Mauren besiegt worden waren,
die Entdeckung Amerikas. Alles hastete nach Gold, und das Goldfieber
hinderte sie, auf dem eroberten Boden heimisch zu werden, heimisch wird
man aber nur, wo man der Scholle seine Arbeitskraft zuwendet.
Großgrundbesitz und priesterschaft halten das Volk mit allen Mitteln
in diesem Zustand des Müßiggangs, der Unwissenheit, des Aberglaubens fest,
stärken, wo sie können, den haß gegen alles Fremde, damit den Stolz, der der
Jugend verbietet, ins Ausland zu reisen und dort zu lernen. Sie haben deshalb
auch kein Interesse am Verkehr, und noch weniger fällt es ihnen ein, ihr
Kapital herzugeben zur Gründung von Fabriken. Nicht einmal für die zeit-