1916 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Jentzsch, Walther, Rein, Wilhelm, Holdegel, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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das hauptsächlichste davon, was die Grabung bis jetzt lehrt, mir zu erklären.
Der Laie allein ist hilflos in diesem Schutt, fluch das unberührte Ruinenfeld
von Babylon, so wie es viele Jahrhunderte dalag, bevor der deutsche Spaten
dorthin kam, wird auf den gebildeten Besucher einen starken Eindruck ge-
macht haben.
Zwei Jahre sind jetzt vergangen, daß die Deutschen herkamen, davon
anderthalb Jahre Grabungsarbeit, und es hat sich gezeigt, daß wir von Grund
auf über Babylon umlernen müssen. Nicht die Einzelerkenntnisse sind das
Entscheidende, was uns die bisherige Arbeit Coldeweys über Babylon gelehrt
hat, sondern sie hat unsere Vorstellungen von der babylonischen Kultur und
von der alten Geschichte Vorderasiens erst im ganzen geklärt. In jedem Ron-
versationslexikon steht zu lesen, Babylon sei. nach den alten Schriftstellern so
groß gewesen, daß die zwei oder drei größten Weltstädte unserer Zeit neben-
einander auf dem Raum hätten gebaut werden können, den es einnahm, vor
fünfzig Jahren war die erwähnte französische Expedition unter (Dppert hier,
die als Ergebnis ihrer Studien die Übereinstimmung der Ruinen an Grt und
Stelle mit den Angaben herodots mitteilte. Oer Umfang des kulturfähigen
Landes in Babylon ist aber eine ungefähr bekannte Größe, und mit ihr stimmte
nicht überein, daß die Hauptstadt gegen hundert Kilometer — drei Tagemärsche
für ein Heer — an Umfang gehabt haben und daß sie von Mauern umschlossen
gewesen sein soll, doppelt so hoch wie das Schiff des Kölner Domes. Dazu
hätten solche Massen an Menschen, Arbeit und Mitteln gehört, daß sich die
übrigen greifbaren Verhältnisse des Landes, mochte man sie noch so hoch
anschlagen, nicht mehr damit vertrugen.
Die deutsche Untersuchung hat nun gezeigt, daß Babylon nicht drei Tage
im Umfang hatte, sondern etwa einen halben Tagemarsch, fünfzehn Kilometer
oder etwas mehr. Das, was die Franzosen für die Reste einer Umwallung der
Königsburg im Innern der Stadt gehalten hatten, ist in Wirklichkeit die
Stadtmauer selbst! Auch so ist Babylon die größte, zusammenhängend bewohnte,
befestigte Stadt des Altertums gewesen. Alle unsere Schulbücher enthielten die
alte Überlieferung, und selbst von den Gelehrten wurde nicht viel eingewendet.
Die babylonischen Alauern sind ein ebenso merkwürdiges Zeugnis für die
Macht der Überlieferung, auch wo es sich um in Zahlen geschriebene Unmöglich-
keiten handelt, wie die Heeresstärken in den Perserkriegen: Eine Generation
nach der andern lernten es die Kinder, wievielmal der berühmte pferch für je
zehntausend Mann sich füllte und leerte, bis Terxes endlich wußte, wieviel
Krieger er habe. Da kommt ein deutscher Professor und verfällt auf den an
sich einfachen Gedanken, nachzurechnen, wie lang der persische Heereszug hätte
sein müssen, wenn wirklich soviel Krieger und ein so großer Troß da waren.
Siehe da, es ergibt sich, daß, als die ersten an der Pforte Griechenlands an-
gekommen waren, die letzten noch tief in Asien stecken mußten! So ging es
auch mit Babylon. Der deutsche Doktor kam mit seinem Gerät, er sah sich
das Gelände an, er trug die wirklich erhaltenen Hefte in seine Karte ein, er
befragte die alten Quellen kritisch, und plötzlich stand Birs Uimrud, der Turm
von Borsippa, den der Franzose (Dppert in eine Ecke der äußeren Umwallung
seines Phantasie-Babylon hineingezeichnet hatte, stundenweit draußen vor der
niedrigen Schuttlinie, die noch von der wirklichen Stadtbefestigung zeugt.
Die Reste des geschichtlichen Babylon sind immer noch so groß, daß es
zwanzig Jahre dauern und Millionen an Mitteln kosten wird, um so viel