1916 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Jentzsch, Walther, Rein, Wilhelm, Holdegel, Georg
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Einfriedigung. <Es ist ein heiligengrab, in dem ein Kmran ibn-Kli, von dem
sonst niemand zu erzählen weiß, bestattet sein soll. Oer unbekannte heilige
aber ist niemand anderes, als der letzte Nachkomme des großen Gottes Marduk
von Babylon: 5lus der semitisch-babylonischen Zeit pflanzte sich zu den Parthern,
zu den Sassaniden und Krabern die Überlieferung fort, eine göttliche Gewalt
wohne an dieser Stätte. Dasselbe finden wir an so vielen anderen Stellen in
Syrien, in Palästina oder Kleinafien: daß die alten Götterheiligtümer moham-
medanische Kultusstätten geworden sind.
5lls im Umkreis von Babylon alles öde und leer war, da blieb auf dem
Trümmerhaufen, zu dem Esagila zusammengestürzt war, immer noch ein
Kapellchen übrig, zu dem die Leute aus der Umgegend mit ihrer Kndacht kamen.
Wie schrieb Nebukadnezar über den Schmuck des Tempels? „Silber, Gold,
kostbares Edelgestein, Bronze, Zedernholz, alle erdenkliche Kostbarkeit, den Besitz
der Berge, den Reichtum der Meere brachte ich in meine Stadt Babel vor
Marduk und legte Esagila, dem Palast seiner Herrschaft, eine Riesenfülle nieder.
Die Rammer Marduks machte ich sonnegleich strahlen! Esagila zu bauen,
treibt mich mein herz, das habe ich beharrlich im 5luge. Die besten meiner
Zedern, die ich vom Libanon, dem herrlichen Walde, gebracht, suchte ich für
die Bedachnug der Rammer seiner Herrschaft und bekleidete sie mit glänzendem
Gold!" Wo sind die Edelsteine, das kostbare Metall und die Zederbalken
geblieben? Nichts ist übrig von Esagila, als die Grundmauern und die Posta-
mente der alten Götterthrone unter einer Decke von mehr als zwanzig
Metern Schutt.
Wo ist der Reichtum des babylonischen Landes geblieben, der anderthalb
Jahrtausende hindurch das Schwergewicht der Herrschaft über das obere und
das untere Asien samt Ägypten bildete? Deutsche Rrbeit, sie ist am Werk,
von neuem die Bedingungen zu schaffen, daß in diese alten Länder Leben und
Reichtum zurückkehren können. Sie wird es tun, wenn man ihr Zeit läßt.
Die Kultur braucht hier nichts weiter, als die Bändigung der räuberischen
Wanderhirten, die das alte Fruchtland als Weidefeld für ihre Kamele und
Schafe benutzen, und die Wiederherstellung der Kanäle, damit das Wasser des
Euphrat und Tigris die Millionen von Morgen zukünftiger Weizen- und
Baumwollfelder zu tränken imstande ist. Dazu wird die Dffnung eines modernen
Verkehrsweges für die Erzeugnisse dieser unendlich fruchtbaren Erde kommen.
Während ich auf 5lmran ibn-5lli stand und in die Grube hinabsah, auf
deren Grund die eindrucksvollen Zeugnisse aus Nebukadnezars Zeit zu sehen
waren, dachte ich: um wieviel schöner ist es doch, an diese Stätte noch nicht
mit der Eisenbahn gekommen zu sein, in wenigen Tagen herangeflogen aus
dem herzen unserer Kultur, im Genuß aller Bequemlichkeiten Europas, sondern
so wie hier von altersher gereist worden ist, in Tag um Tag aneinander
gefügten Märschen, bis endlich das Ziel des Verlangens erreicht war. Die
Zeit wird kommen, und sie soll ja kommen, wo es so leicht sein wird, nach
Babylon zu gelangen, wie zu den Pyramiden und zur Kkropolis. Bis dahin
aber freue ich mich, daß ich den Tempel Marduks und den Palast Nebukad-
nezars in den Tagen gesehen habe, als man noch nicht auf Schienen nach
Babylon fuhr. Wir alle im Deutschen Hause, wenn unter den Palmen am
Ufer des Euphrat das Getränk aus Deutschland und der babylonische Dattel-
korb bei den Gastfreunden umging, teilten das eine Empfinden miteinander:
Kommt er, der große Fortschritt, und die Heimat und die Welt fangen an